ECHO Top500 2023 - Das Original.
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TOP 500 | INTERVIEW<br />
weil sie vielleicht nicht mehr so modern sind,<br />
immer noch wichtig. Für mich sind sie die<br />
Fundamente der Volkspartei. Durch die Konzentration<br />
auf das Marketing gehen manche<br />
Inhalte verloren. <strong>Das</strong> wurde unter Sebastian<br />
Kurz perfekt inszeniert und die Menschen<br />
haben das ja auch geschätzt und angenommen.<br />
Aber vielleicht würde da und dort ein<br />
Schritt zurück zu mehr Tradition der ÖVP<br />
nicht schaden.<br />
<strong>ECHO</strong>: Soll Sebastian Kurz in die ÖVP<br />
zurückkehren und wieder die Führung übernehmen?<br />
Walser: Ich glaube nicht, dass eine Rückkehr<br />
in die ÖVP realistisch ist. Aber dass er mit einer<br />
eigenen Liste wieder auf die politische<br />
Bühne tritt, schließe ich nicht aus.<br />
<strong>ECHO</strong>: Was sind derzeit die großen Herausforderungen<br />
der<br />
Tiroler Wirtschaft?<br />
Walser: Seit vielen<br />
Jahren beschäftigt<br />
uns das Arbeitskräfte-<br />
Thema. Es ist in den<br />
letzten Monaten ein<br />
bisschen einfacher<br />
geworden, MitarbeiterInnen<br />
zu finden.<br />
Der Grund dafür ist<br />
aber kein erfreulicher<br />
– die schwächelnde<br />
Wirtschaft. Der<br />
Befund aus meiner<br />
eigenen Branche zeigt klar, dass es schon<br />
lange keinen so ruhigen Herbst im Speditionsbereich<br />
gegeben hat. Die größte Herausforderung<br />
ist im Moment sicherlich das<br />
Thema Inflation und steigende Zinsen. <strong>Das</strong><br />
trifft nicht nur Unternehmen, die investiert<br />
haben und deren Rückzahlungen spürbar<br />
höher geworden sind. Gleichzeitig sind alle<br />
BürgerInnen von höheren Kosten, Ausgaben<br />
und höheren Zinsen belastet. <strong>Das</strong> wirkt sich<br />
folglich auf das Konsumverhalten und damit<br />
auch auf die Wirtschaft aus. Zudem ist die<br />
Bereitschaft und die Möglichkeit, Kredite<br />
aufzunehmen, massiv eingeschränkt worden,<br />
auch durch die KIM-Verordnung, die bei<br />
Wohnbaukrediten zur Anwendung kommt.<br />
„Wir möchten die gleiche<br />
Behandlung wie der Agrarbereich.<br />
Wenn es begünstigten<br />
Diesel oder Strom<br />
für die Landwirtschaft gibt,<br />
dann muss das auch für die<br />
Wirtschaft gelten.“<br />
<br />
Christoph Walser<br />
Die Banken sprechen von 80 Prozent Einbruch<br />
bei Wohnbaukrediten. <strong>Das</strong> Geschäft<br />
der Bauträger und Immobilienmakler ist am<br />
Boden, die Bauwirtschaft verzeichnet massive<br />
Einbrüche. Die Frage ist nun, wie lange das<br />
dauert. Über Corona haben wir uns gerettet,<br />
weil der Staat sehr viel Geld ins System gepumpt<br />
hat, sowohl an die privaten Haushalte<br />
als auch an die Unternehmen. Jetzt gibt es<br />
keine Hilfen mehr und es wird für viele Unternehmen<br />
sehr eng.<br />
<strong>ECHO</strong>: Womit rechnen Sie in der nächsten<br />
Zeit?<br />
Walser: Es gibt Signale, dass sich das Zinsniveau<br />
ab dem ersten Quartal 2024 leicht reduzieren<br />
wird und sich der Leitzins gegen Ende<br />
2024 bei knapp unter vier Prozent einpendeln<br />
wird. <strong>Das</strong> wäre eine erträgliche Situation. Die<br />
KIM-Verordnung läuft 2025 aus. Da sind wir<br />
massiv dran, dass sie<br />
nicht verlängert wird.<br />
<strong>Das</strong> ist nicht nur für<br />
die Banken, sondern<br />
für die Gesamtwirtschaft<br />
wichtig. Unbestritten<br />
ist aber auch,<br />
dass es da und dort<br />
zu Bereinigungen<br />
und vermehrt zu Insolvenzen<br />
kommen<br />
wird.<br />
<strong>ECHO</strong>: Welche<br />
Branchen sind neben<br />
der Baubranche noch stark betroffen?<br />
Walser: Der Handel hängt stark am privaten<br />
Konsum und hat neben der Konjunktur noch<br />
mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen.<br />
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Der<br />
Tourismus scheint nicht betroffen zu sein,<br />
offenbar ist Urlaub das Letzte, worauf die<br />
Menschen verzichten möchten. <strong>Das</strong> spricht<br />
für den Standort Tirol.<br />
<strong>ECHO</strong>: Welche Möglichkeiten der Einflussnahme<br />
seitens der Politik sehen Sie?<br />
Walser: Die Bundesregierung ist nicht so<br />
schlecht, wie sie dargestellt wird. Es ist viel<br />
passiert. Die kalte Progression, die nach Jahrzehnten<br />
endlich beendet wurde, die Senkung<br />
vor allem der niedrigen Steuerklassen, die<br />
Senkung der Körperschaftsteuer, das alles<br />
sind wichtige Maßnahmen. Gleichzeitig muss<br />
man auch festhalten, dass der Staat die Steuereinnahmen<br />
auch für viele Aufgaben braucht<br />
– Ausbau der Kinderbetreuung, Sozialsystem,<br />
Infrastruktur, Ausbau der Öffis usw. Eine<br />
wichtige Forderung, auf deren Beantwortung<br />
wir dringend warten, ist der Energiekostenzuschuss<br />
II. Generell sind wir überzeugt davon,<br />
dass beim Energiethema Entscheidungen<br />
getroffen werden müssen, damit es nicht zu<br />
einem nachhaltigen Standortnachteil für die<br />
Wirtschaft kommt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Die NEOS fordern seit Langem<br />
die Senkung der Lohnnebenkosten. Warum<br />
unterstützt die Wirtschaftskammer diese<br />
Forderung nicht? Liegt das am schlechten<br />
Verhältnis zu den NEOS?<br />
Walser: <strong>Das</strong>s das Verhältnis Wirtschaftskammer-NEOS<br />
nicht das beste ist, ist unbestritten,<br />
aber auch wir sind der Meinung, dass Arbeit<br />
in Österreich zu hoch besteuert ist. Ob dabei<br />
die Lohnnebenkostensenkung das richtige Instrument<br />
ist, wage ich zu bezweifeln, weil die<br />
Lohnnebenkosten zahlreiche Dinge finanzieren,<br />
von AK-Beiträgen bis zur Kommunalsteuer.<br />
Da muss man ganz genau hinschauen, wer<br />
dabei was verlieren würde und wem es wirklich<br />
relevant etwas bringen würde.<br />
<strong>ECHO</strong>: Die Wirtschaftskammer wird der<br />
ÖVP, die Gewerkschaft der SPÖ zugeordnet.<br />
Dennoch verspürt man eine große Beißhemmung<br />
der Wirtschaftskammer gegenüber der<br />
ÖVP-geführten Regierung, obwohl immer<br />
mehr Unternehmen bezweifeln, dass die<br />
ÖVP noch die Wirtschaftspartei ist.<br />
Walser: Die größte Wirtschaftskompetenz<br />
hat nach wie vor die ÖVP. Mit Wirtschaftsminister<br />
Martin Kocher haben wir als Wirtschaftskammer<br />
einen sehr guten Austausch.<br />
Er will wirklich etwas weiterzubringen. Aber<br />
vieles scheitert am Koalitionspartner.<br />
<strong>ECHO</strong>: Die Lohnverhandlungen haben<br />
begonnen. Welche Abschlüsse erwarten bzw.<br />
befürchten Sie?<br />
Walser: Die Forderung von mehr als zehn<br />
Prozent ist für die Wirtschaft im Moment si-<br />
12<br />
<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2023</strong>