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ECHO Top500 2023 - Das Original.

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TOP 500 | INTERVIEW<br />

gefragt, die in anderen Branchen schon lange<br />

wichtig sind: IT, Datenanalysten, CNC-Programmierer,<br />

Logistiker usw. Auf der Baustelle<br />

selbst kann ich mir den Einsatz von KI schwer<br />

vorstellen, eher von Robotern bzw. Cobots.<br />

Den Maurer wird es noch lange geben. Außer<br />

die Bauweise ändert sich. Wird nicht mehr so<br />

individualisiert gebaut wie jetzt, weil vermehrt<br />

oder überwiegend im Werk vorgefertigt und<br />

vor Ort nur mehr aufgestellt wird, haben wir<br />

ein neues Spiel. In Deutschland entstehen<br />

große Werke, die 20.000 Wohneinheiten in<br />

Vorfertigung produzieren. In wenigen Jahren<br />

könnten es 100.000 sein. <strong>Das</strong> nehmen wir<br />

ernst. Unsere Holztechnik greift die Idee auf,<br />

nur nicht in dieser Dimension. Wir fertigen<br />

in Hybridbauweise (Holz+Stahlbeton) ganze<br />

Wände samt Fassade und Fenster vor.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie KI-fit ist Österreich?<br />

Rieder: Wir sind kein Vorreiterland. Es ist<br />

kaum möglich, solche Themen nationalstaatlich<br />

zu lösen. Zwar hat die EU bewiesen, dass<br />

sie als Friedensprojekt funktioniert, doch<br />

fehlt die europäische Integration, um Innovation<br />

voranzutreiben, das gilt auch für Quantencomputing<br />

u. Ä. Der nötige Intellekt ist<br />

in Europa vorhanden, die Zusammenarbeit<br />

nicht. Wir sind eher in die Gegenrichtung,<br />

Festung Österreich, unterwegs. Die USA haben<br />

50 Bundesstaaten und einen Präsidenten.<br />

Auch wir bräuchten eine politische Union.<br />

Doch womöglich haben wir<br />

den Moment dafür bereits<br />

verpasst. Vielleicht gelingt es<br />

nachfolgenden Generationen.<br />

Sonst werden wir eines Tages<br />

vielleicht zum Museum der<br />

Welt. Wesentliche Entwicklungen<br />

werden derzeit nicht<br />

rechtzeitig erkannt, immer<br />

wieder zeigt sich Europa überrumpelt.<br />

Zwar wird nun in<br />

Chip- und Batteriefabriken investiert,<br />

doch werden wir nun<br />

damit zum Nachahmer. Es<br />

gibt zwar die EU Cloud Gaia-<br />

X, doch braucht diese fremde<br />

Infrastrukturen. Es gibt nur<br />

wenige Hyperscaler, Amazon<br />

Web Services (AWS), Microsoft<br />

Azure, Google Cloud<br />

Plattform (GCP) und IBM,<br />

Alibaba, Meta. Keiner davon<br />

aus Europa. Unser einziger<br />

relevanter Softwarekonzern<br />

SAP muss sich anstrengen,<br />

up-to-date zu bleiben.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie ist Ihre Erwartung<br />

an die Konjunktur im<br />

nächsten Jahr?<br />

Rieder: Wir befinden uns in einer 0-Wachstumsphase,<br />

aber die Rückmeldungen von den<br />

Unternehmen sind differenziert, von okay bis<br />

schlecht. Sicher ist, <strong>2023</strong> war schwieriger als<br />

2022 und 2024 wird schwieriger als <strong>2023</strong>.<br />

Im Hochbau bzw. Wohnbau rechnen wir mit<br />

einem Einbruch auf die Hälfte. Auch dauerhaft<br />

wird das Niveau etwa ein Drittel unterhalb<br />

der Vor-Covid-Zeit bleiben, aufgrund<br />

der Demografie und Marktüberhitzung. In<br />

der Branche gibt es Anpassungsbedarf. Es<br />

wird mehr saniert als neugebaut werden. Bei<br />

der Infrastruktur ist laufend viel zu tun. Der<br />

Tiefbau wird darum konstant bleiben. Mit<br />

einem Aufschwung ist nicht zu rechnen, dafür<br />

fehlen die öffentlichen Gelder. Der Wirtschaftsbau<br />

wird schwächeln, weil auch Industrie<br />

und Gewerbe Schwierigkeiten haben.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Herausforderungen sehen<br />

Sie auf die Unternehmen zukommen?<br />

Rieder: Neben der Auslastung die Frage,<br />

ob das Personal gehalten werden kann. Es<br />

dauert Jahre, Personal in hoher Qualität aufzubauen<br />

und überhaupt zu finden. Und ob<br />

die nötigen Erträge erzielt werden können für<br />

Investitionen in Digitalisierung, Transformation,<br />

Vorfertigung und auch KI. Es könnte zu<br />

einer schleichenden Marktbereinigung kommen.<br />

Die Lohnverhandlungen für <strong>2023</strong> und<br />

2024 sind abgeschlossen. Faktisch hat sich in<br />

unserem Unternehmen der Lohn um elf und<br />

das Gehalt um 13 Prozent erhöht. 2024 sind<br />

es erneut sieben bis acht Prozent. Ich gönne es<br />

den Menschen, aber auch das ist eine Herausforderung,<br />

ein Grund, warum Bauen so teuer<br />

ist und wir als 0-Produktionszweig gelten.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Rahmenbedingungen sind<br />

jetzt erforderlich?<br />

Rieder: Wir brauchen schnelle Verfahren<br />

und Hilfsbereitschaft seitens der Raumordnung.<br />

Wir brauchen differenzierte Baustandards<br />

für eine differenzierte Bevölkerung mit<br />

differenziertem Einkommen. Senken wir die<br />

Standards ein wenig, bauen wir noch immer<br />

auf hohem Niveau, nur einfacher, z. B. alle<br />

Bäder übereinander oder ohne Tiefgarage.<br />

Wir brauchen in Teilen der Branche mehr<br />

Vorfertigung und eine gewisse Standardisierung<br />

und Prozessoptimierung im Sinne des<br />

seriellen Bauens, einmal geplant, mehrfach<br />

gebaut, einmal bewilligt, mehrfach bewilligt<br />

usw. In der Autobranche funktioniert es auch<br />

so. Trotzdem sehen nicht alle Autos gleich<br />

aus. Wir müssen mit den Zinsen auf zwei<br />

Prozent runter und die KIM-Verordnung<br />

muss fallen. Beides führte zu einer Vollbremsung<br />

in der Branche, wenn auch die 0-Zinsen<br />

nicht richtig waren. <strong>Das</strong> Geld für die Wohnbauförderung<br />

muss in den Neubau gesteckt<br />

werden und zum Teil in Sanierungen. Es darf<br />

nicht irgendwo versickern. Wir brauchen ein<br />

Sonderbauprogramm, begrenzt auf ein paar<br />

Jahre. Wir bauen Eigentum, die Gemeinden<br />

Mietwohnungen. So würde die Bauwirtschaft<br />

wieder anspringen.<br />

<br />

Interview: Amata Steinlechner<br />

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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2023</strong>

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