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TOP 500 | IMMOBILIEN<br />
„Büros immer komplexer“<br />
Immobilien. Andreas Gstrein, Geschäftsführer der IVG, über die Preisentwicklung bei<br />
Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie Trends von Digitalisierung bis Nachhaltigkeit.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie entwickeln sich Preise und<br />
Nachfrage im Bereich Wohnen?<br />
Andreas Gstrein : Bewusst wurde mit Einführung<br />
der KIM-Verordnung die Nachfrage<br />
fast auf null gedrosselt, um zu sehen, wie sich<br />
die Preise entwickeln würden. Bislang ist im<br />
Neubau kein Preisrückgang feststellbar. Was<br />
feststeht ist, dass junge Familien bzw. Menschen<br />
sich die Investition in Immobilien nicht<br />
mehr leisten können und zur Miete wohnen<br />
müssen. Wer in einer späteren Lebensphase<br />
kauft, kann die lange Kreditlaufzeit oft nicht<br />
mehr bedienen. Viele Studien belegen, dass<br />
Wohnungseigentum der beste Schutz vor Altersarmut<br />
ist. Die Betriebskosten können mit<br />
einer Pension meist bezahlt werden, bei einer<br />
vollindexierten Miete und steigenden Betriebsund<br />
Lebenserhaltungskosten ist das oft anders.<br />
Die Regierung und die EZB hatten Angst vor<br />
einer Immobilienblase. Doch hätte man bei<br />
Einführung der KIM-Verordnung beachten<br />
müssen, wie viel Geld die Haushalte wo für<br />
das Wohnen bezahlen. In Tirol liegen wir bei<br />
50 Prozent oder mehr des Einkommens. Wer<br />
Vollzeit arbeitet und das möchte, muss sich<br />
Eigentum erarbeiten können, wenn auch nicht<br />
jeder z. B. in Hötting wohnen kann.<br />
<strong>ECHO</strong>: Werden die Preise denn sinken?<br />
Gstrein: 0,43 Prozent der Fläche Tirols sind<br />
bebaubar. Damit sind wir national wie international<br />
Schlusslicht. Z. B. in Ober österreich<br />
sind es 1, 3 Prozent, 15 Prozent beispielsweise<br />
in Baden-Württemberg. In den letzten<br />
Jahren orientierte sich der Markt daran, was<br />
Käufer maximal bezahlen konnten. Der Preis<br />
ergab sich aus Grundstückspreis, Baukosten<br />
und Bauträgeraufschlag. Ein Rückgang ist<br />
wenn nur bei den Baukosten realistisch. Bei<br />
Neubauten gibt es hohe Kosten durch Normierungen,<br />
Erdwärmepumpe, Photovoltaik,<br />
Akustik, Schallisolierung, Wärmedämmung<br />
usw. Gebrauchtimmobilien müssen deutlich<br />
günstiger sein. Ein Unterschied von<br />
2.000 Euro pro Quadratmeter ist jedenfalls<br />
angemessen, selbst wenn der Altbau gut saniert<br />
ist.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie sind die Preisentwicklung und<br />
die Nachfrage bei Gewerbeimmobilien?<br />
Gstrein: Hier gab es nie eine so extreme<br />
Preisentwicklung. Der Markt funktioniert für<br />
beide Seiten gut. Die Mieten stiegen und steigen<br />
moderat, meist unter der Inflation. Bei den<br />
Betriebskosten bzw. Energiekosten verzeichnen<br />
wir starke Anstiege, jedoch nicht so starke, wie<br />
im Herbst 2022 befürchtet wurde. Strom und<br />
Gas werden nie wieder so günstig sein wie vor<br />
dem Krieg. Zugleich zeigt sich ein Schub bei erneuerbaren<br />
Energien, v. a. bei Photovoltaik. Erdwärme-<br />
oder Luftwärmepumpen sind nach wie<br />
vor teuer bzw. Gas günstiger. Auch Strom- und<br />
Infrarotheizungen werden öfter nachgefragt.<br />
Viele Bauträger haben sich in den vergangenen<br />
Jahren auf Wohnobjekte fokussiert, im gewerblichen<br />
Bereich wurde sehr wenig gebaut. Die<br />
Nachfrage ist gut bzw. größer als das Angebot.<br />
Im TWI haben wir derzeit 62.000 Quadratmeter<br />
Büro- und Geschäftsfläche und sind fast voll<br />
ausgelastet. So ist es auch bei unserem Standort<br />
in Thaur, den wir ausbauen möchten. Gründe<br />
für die Auslastung sind die Konjunktur und dass<br />
nur wenige Flächen zur Verfügung stehen, die<br />
über die nötigen Infrastrukturen, wie Verkehrsanbindung,<br />
Stellplätze, Kinderbetreuung und<br />
EDV, verfügen. Dringend nötig wäre die Anbindung<br />
des Gewerbegebiets durch Radwege.<br />
<strong>ECHO</strong>:Wirken sich die höheren Zinsen aus?<br />
Gstrein: Insgesamt sinken die Investitionsfreudigkeit<br />
und die Volatilität der Betriebe. Im Gewerbebereich<br />
ist mit sinkenden Anmietungen<br />
zu rechnen, weniger Rückstellungen und weniger<br />
Neubezügen. Da wir nur moderate Preiserhöhungen<br />
vornehmen und gute Infrastrukturen<br />
bieten, rechnen wir eher mit einem Zulauf.<br />
<strong>ECHO</strong>:Welche Trends zeigen sich?<br />
Gstrein: Büroimmobilien werden immer<br />
komplexer. Nicht mehr nur die Fläche (acht<br />
Quadratmeter für den ersten Mitarbeiter, fünf<br />
für jeden weiteren), sondern auch die Belichtung,<br />
Belüftung, Stühle, Arbeitsplatzausstattung,<br />
höhenverstellbare Schreibtische, Akustik,<br />
Farben, Luftfeuchtigkeit usw. rücken in den<br />
Fokus. Laufend werden Bestimmungen und<br />
Kontrollen strenger. Der Wert eines Mitarbeiters<br />
und die Wertschätzung der Arbeit steigen.<br />
Unternehmen wollen optimale Arbeitsbedingungen<br />
schaffen, damit Mitarbeiter leistungsfähig<br />
sein können. Bei der Belichtung wurde<br />
z. B. lange manipulativ gearbeitet. Helles Licht<br />
mit hohem Blauanteil, das die Morgensonne<br />
nachahmt, sollte zu mehr Produktivität führen.<br />
Heute weiß man, das ist ungesund, und konzentriert<br />
sich auf das Wohlbefinden. Digitalisierung<br />
und Automation werden immer wichtiger, z.<br />
B. Überwachungs- und Brandschutzsysteme,<br />
automatisch schließende Türen, Elektroinstallationen<br />
u. v. m. Auch zunehmend wichtig sind<br />
Nachhaltigkeitszertifizierungen.<br />
Interview: Amata Steinlechner<br />
Foto: Thomas Steinlechner <strong>2023</strong><br />
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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2023</strong>