ECHO Top500 2023 - Das Original.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TOP 500 | INTERVIEW<br />
<strong>ECHO</strong>: KI ist derzeit in aller Munde. Wie<br />
wird KI die Unternehmen in den nächsten Jahren<br />
verändern?<br />
Swarovski: Die Möglichkeiten, die künstliche<br />
Intelligenzen der Wirtschaft eröffnen, sind<br />
vom heutigen Standpunkt aus betrachtet noch<br />
schwer abzuschätzen. Ich sehe diese Entwicklungen<br />
aber als Chance, immer unter dem Vorbehalt,<br />
dass wir den richtigen regulatorischen<br />
Rahmen finden. Für die Wirtschaft kommt dieser<br />
Entwicklungsschub genau zur richtigen Zeit.<br />
Für eine steigende Wirtschaftsleistung braucht<br />
es eine stabile, im besten Fall sogar wachsende<br />
Zahl an Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur<br />
Verfügung stehen, und technische Innovationen,<br />
die die Produktivität einer Volkswirtschaft<br />
erhöhen. Durch<br />
den demografischen<br />
Wandel wird Österreichs<br />
Erwerbsbevölkerung<br />
in den nächsten Jahren<br />
stark schrumpfen. <strong>Das</strong><br />
kann auch mit gezieltem<br />
Zuzug qualifizierter ArbeitnehmerInnen<br />
nicht<br />
kompensiert werden.<br />
Dank des Einsatzes<br />
künstlicher Intelligenzen<br />
und des damit verbundenen<br />
Fortschritts bei<br />
der Automatisierung von betrieblichen Prozessen,<br />
nicht nur in der Produktion, sondern auch<br />
in der Verwaltung und im Vertrieb, kann die<br />
Wirtschaftsleistung vieler Branchen, trotz der<br />
sinkenden Zahl von arbeitenden Menschen,<br />
dank der Steigerung der Produktivität wachsen.<br />
<strong>ECHO</strong>: Die IV fordert schon länger den<br />
Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.<br />
Nun scheint langsam Bewegung in die Sache<br />
zu kommen. Sind Sie für einen Rechtsanspruch<br />
auf Kinderbetreuung? Wie beurteilen Sie die<br />
aktuellen Ankündigungen des Landes Tirol<br />
(Stichwort: Vermittlungsanspruch) in Sachen<br />
Kinderbetreuung?<br />
Swarovski: Die Industriellenvereinigung<br />
setzt sich schon seit Langem für einen gesetzlich<br />
gesicherten Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz<br />
ein. Deshalb begrüßen wir<br />
das 10-Punkte-Maßnahmenpaket der Tiroler<br />
Landesregierung zum Thema Kinderbetreuung<br />
und Kinderbildung sehr. Damit werden Eltern<br />
viele Sorgen abgenommen. Mütter können<br />
schneller wieder arbeiten gehen, wenn sie es<br />
möchten. <strong>Das</strong> hilft auch dabei, einen allfälligen<br />
Gender Pay Gap zu schließen und Altersarmut<br />
von Frauen aufgrund einer niedrigen Pension<br />
vorzubeugen. Wobei ich gerade im Bereich<br />
des Anspruchs von Müttern auf deren Pension<br />
einen politischen Handlungsbedarf sehe.<br />
Ungeachtet dessen sind für die Wirtschaft die<br />
Entwicklungen bei der Kinderbetreuung gute<br />
Nachrichten. Dank besserer Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie werden sich hoffentlich wieder<br />
mehr Menschen dazu entscheiden, Vollzeit<br />
zu arbeiten. Ob Vermittlungsanspruch oder<br />
einklagbares Recht, ist aus Sicht der Industriellenvereinigung<br />
nebensächlich, wenn das System<br />
funktioniert. Zentral dafür ist, dass bis zum Jahr<br />
2026 genug Elementarpädagoginnen und -pädagogen<br />
gefunden<br />
„Klimaschutz kann nur dann<br />
erfolgreich sein, wenn er<br />
global von<br />
Gesellschaft und Wirtschaft<br />
mitgetragen und<br />
fl ächendeckend wird.“<br />
werden können, um<br />
wirklich allen Familien,<br />
die Anspruch<br />
auf einen Betreuungsplatz<br />
haben,<br />
auch einen anbieten<br />
zu können.<br />
<strong>ECHO</strong>: I n<br />
Deutschland findet<br />
gerade eine Debatte<br />
über Industriestrom<br />
statt. In Österreich<br />
gibt es dazu nur wenig Diskussion. Wie groß ist<br />
das Problem hoher Energiekosten für die Unternehmen<br />
und welche Forderungen gegenüber<br />
der Politik gibt es in dieser Frage?<br />
Swarovski: Die Energiepreise für Österreichs<br />
Industrieunternehmen sind immer noch rund<br />
zwei- bis dreimal höher als vor der aktuellen Energiepreiskrise.<br />
Die sinkende Tendenz bei Gasund<br />
Strompreisen ist positiv zu sehen, hängt<br />
aber auch mit saisonalen Effekten zusammen.<br />
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt.<br />
Derzeit ist durch den unerwarteten<br />
Angriff der Hamas auf Israel ein erneutes<br />
Anziehen bei den Erdölpreisen zu beobachten.<br />
<strong>Das</strong> kann in der zweiten Jahreshälfte auch bei<br />
anderen Energieträgern passieren. Darüber hinaus<br />
muss man sagen, dass die Energiepreise<br />
zwar innerhalb der EU wieder auf Vorkrisenniveau<br />
liegen, sie im Vergleich mit Europas<br />
direkten Mitbewerben, wie den USA, China,<br />
Japan und den ASEAN-Staaten, in der industriellen<br />
Produktion aber immer noch deutlich<br />
höher sind. Sollte in Deutschland wirklich der<br />
Industriestrompreis eingeführt werden, setzt<br />
Christoph Swarovski, Präsident IV-Tirol<br />
das alle anderen europäischen Länder gewaltig<br />
unter Druck, da auch sie sich ein Förderungsmodell<br />
einfallen lassen müssten. Andernfalls<br />
würde es zu extremen Verwerfungen in der<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie innerhalb<br />
Europas kommen. <strong>Das</strong> wären schlechte Nachrichten<br />
für Österreichs Industrieunternehmen.<br />
Nach monatelangen Versprechen von der Politik<br />
ist der Energiekostenzuschuss II immer<br />
noch nicht beantragbar. <strong>Das</strong> wäre bei einer politischen<br />
Antwort Österreichs auf den deutschen<br />
Energiestrompreis nicht anders, was einen<br />
großen Nachteil für unsere Industrie bedeuten<br />
würde, die ja in ganz vielen Bereichen direkt mit<br />
deutschen Unternehmen konkurriert.<br />
<strong>ECHO</strong>: In den politischen Debatten hört man<br />
zur Zeit oft, dass die Klimaschutzmaßnahmen<br />
zu umfassend sind und der Wirtschaft schaden.<br />
Wo stehen Sie in dieser Diskussion und welche<br />
Rahmenbedingungen erwarten Sie von der<br />
Politik?<br />
Swarovski: Ich erwarte mir Rahmenbedingungen,<br />
die nicht nur am Papier gut aussehen,<br />
sondern sich auch in der Praxis umsetzen lassen.<br />
Die Industrie ist selbstverständlich bereit,<br />
ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel<br />
zu leisten. Viele Tiroler Unternehmen<br />
erfüllen schon heute strengere Auflagen als<br />
gesetzlich gefordert und investieren Millionen<br />
von Euro in die grüne Transformation. Es kann<br />
aber nicht sein, dass im Namen des Klimaschutzes<br />
Europas Wettbewerbsfähigkeit geopfert<br />
wird, ohne darüber nachzudenken, welche<br />
Auswirkungen das für die Stabilität und den<br />
Wohlstand in Europa hat. Klimaschutz kann<br />
nur dann erfolgreich sein, wenn er global von<br />
Gesellschaft und Wirtschaft mitgetragen und<br />
flächendeckend wird.<br />
<strong>ECHO</strong>: Seit eineinhalb Jahren sind wir nunmehr<br />
mit dem Ukrainekrieg konfrontiert. Welche<br />
Herausforderungen und Folgen hat dieser<br />
Krieg auf die heimische Industrie?<br />
Swarovski: Der Krieg war Auslöser für den<br />
Energiepreisschock und viele weitere Verwerfungen,<br />
die rückblickend betrachtet eine neue<br />
Ära der Weltwirtschaft eingeläutet haben. Wir<br />
leben heute in einer multipolaren Welt, in der<br />
immer mehr Staaten und Blöcke den Kurs der<br />
Welt mitbestimmen wollen und auch ihren<br />
Führungsanspruch aggressiver – Stichwort<br />
BRICS-Staaten – als früher einfordern. Dieses<br />
volatile Umfeld macht es für Unternehmen<br />
18<br />
<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2023</strong>