ECHO Top500 2023 - Das Original.
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TOP 500 | INTERVIEW<br />
Für internationale Unternehmen ergeben<br />
sich durch die Digitalisierung Vorteile. Es<br />
ist nicht mehr nötig, für einzelne Meetings<br />
zu fliegen. <strong>Das</strong> spart Zeit, Kosten und ist gut<br />
für das Klima.<br />
<strong>ECHO</strong>: Über eine Milliarde Euro verliert<br />
Österreich durch Korruption. Wird zu wenig<br />
hingeschaut?<br />
Gessler: Seit Jahren werden die entsprechenden<br />
Gesetze stetig verschärft. Es wird viel<br />
getan und Korruption ist in Österreich ohnehin<br />
nur in kleinem Rahmen möglich. In Asien<br />
oder östlichen Ländern zeigt sich ein völlig<br />
anderes Bild. <strong>Das</strong> Problem ist der Lobbyismus.<br />
Konzerne diktieren die Politik, Politiker<br />
machen Politik für Konzerne und nicht für<br />
die Gesellschaft, sie lassen sich kaufen, auch<br />
linke Politiker. <strong>Das</strong> ist Korruption, aber trotzdem<br />
legal. So ist es nicht möglich, die Klimakrise<br />
zu bewältigen und gute Politik zu machen.<br />
Konzerne haben so große Macht, dass<br />
sie es z. B. verhindern, dass krebserregende<br />
Produkte vom Markt genommen werden, z.<br />
B. Glyphosat von Monsanto. Nachweislich<br />
wurde in gewissen Ländern gutes Leitungswasser<br />
derart ver chlort, dass es untrinkbar<br />
wurde und die Menschen nun Wasser in<br />
Plastikflaschen kaufen müssen. Früher gab<br />
es für Konzerne strenge Einschränkungen.<br />
In den USA wurde ein Konzern zerschlagen,<br />
sobald er eine gewisse Größe erreicht hatte,<br />
um Übermacht zu verhindern.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie gut ist Österreichs Steuersystem<br />
im internationalen Vergleich?<br />
Gessler: Mittelgut, mit Tendenz nach unten.<br />
Gut ist, dass es keine Erbschafts- und<br />
Vermögenssteuern gibt, denn das lockt Unternehmen<br />
und Holdings nach Österreich.<br />
Mit einer Körperschaftssteuer von 20 Prozent<br />
wären wir in Europa konkurrenzfähig.<br />
Bei den Sozialabgaben und den Steuern gehören<br />
wir in Europa zu den Hochsteuerländern.<br />
<strong>Das</strong> gilt für alle Steuerklassen, sowohl<br />
für den Höchststeuersatz von 55 Prozent<br />
als auch alle anderen Tarifstufen. Siedeln<br />
„Sich nicht zu engagieren<br />
und nicht zu arbeiten, ist<br />
die schlechteste Lösung.“<br />
Alexander Gessler,<br />
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater<br />
sich mehr Unternehmen in Österreich an,<br />
steigen auch die Steuereinnahmen. Ein<br />
großes Vorbild ist die Schweiz, doch ist es<br />
eine Illusion, dieses Ziel zu erreichen. Auch<br />
die Niederlande hat<br />
ein gutes Niedrigsteuersystem,<br />
ohne<br />
Steuerdumping zu<br />
betreiben, und sollte<br />
ein Vorbild sein.<br />
<strong>ECHO</strong>: Was muss<br />
getan werden?<br />
Gessler: Klimaschädliche<br />
Produkte sowie Transit und<br />
Fliegen sollten höher besteuert werden.<br />
Auch gesundheitsschädliche Tätigkeiten<br />
wie Extremsportarten oder Rauchen sollten<br />
mit einer Pflichtversicherung versehen werden.<br />
Produkte mit positiven Auswirkungen<br />
sollten entlastet werden, wie z. B. Solar- und<br />
Windkraft oder Grundlagenforschung und<br />
Wissenschaft (z. B. Wasserstoffproduktion).<br />
Man müsste schrittweise Maßnahmen setzen<br />
und die Auswirkungen beobachten. Dafür<br />
bräuchte es eine langfristige Denkweise der<br />
Politik. Den etablierten Parteien gelingt es<br />
„Nur wenn eine wirtschaftliche,<br />
soziale und ökologische<br />
Balance gegeben ist,<br />
kann sich ein Staat gut entwickeln.“<br />
nicht, junge Wähler anzusprechen und generationengerecht<br />
zu handeln. Neue Parteien<br />
könnten Druck auf die etablierten Parteien<br />
ausüben, um ihre Denke zu ändern. Damit<br />
würde auch dem Trend der Zeit und der<br />
depressiven Stimmung bei den Menschen,<br />
sich lieber eine schöne Zeit zu machen, als<br />
sich zu engagieren, lieber wenig zu arbeiten,<br />
als etwas aufzubauen, etwas engegengesetzt<br />
werden, nämlich, dass sich Engagement lohnt<br />
und langfristige Lösungen möglich sind. Zu<br />
wenige Arbeitskräfte bedeuten auch zu wenig<br />
Geld im Sozialsystem und v. a. im Pensionssystem.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie sehen Sie die Bargeld-Debatte?<br />
Sollte das Bargeld abgeschafft werden?<br />
Gessler: <strong>Das</strong> Bargeld sollte nicht abgeschafft<br />
werden, denn es verschafft Freiheit.<br />
Kein Bargeld heißt Totalkontrolle, der<br />
Mensch wäre völlig gläsern. Alle Aktivitäten<br />
würden dokumentiert werden, was gekauft<br />
wird und wohin man fährt. Niemand hat das<br />
Vertrauen, dass diese Daten nicht gespeichert<br />
werden und an<br />
Alexander Gessler,<br />
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater<br />
internationale Konzerne<br />
weitergegeben<br />
werden, um personalisierte<br />
Werbung<br />
zu platzieren. Gegen<br />
die Korruption kann<br />
die Abschaffung des<br />
Bargelds nichts bewirken,<br />
diese läuft<br />
ohnehin über Kryptowährungen. Kritisch<br />
zu hinterfragen ist auch, wo die Daten gespeichert<br />
werden. Stehen die Server in den<br />
USA und China, ist das für Europa nicht<br />
gut. Europa müsste aufrüsten, eigene Serverlandschaften<br />
betreiben und nicht alle Daten<br />
nach Übersee weiterlenken. Die Kontrolle<br />
der Richtigkeit bei digitalen Zahlungen ist<br />
mühsamer als bei Bargeld. Eine Abschaffung<br />
des Bargelds würde große Unruhe in der Bevölkerung<br />
hervorrufen. Daher hält sich die<br />
Politik bei der Umsetzung zurück.<br />
Interview: Amata Steinlechner<br />
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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2023</strong>