PIPER Reader Herbst 2024
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STEPHAN ORTH<br />
LESEPROBE<br />
LESEPROBE<br />
Saporischschja – Hilfsmission mit<br />
Hindernissen<br />
Am Morgen laden Polina und ich das Auto voll mit<br />
Medikamenten, Kleidungsstücken und Decken. Wir<br />
haben deutsche Heringskonserven aus einem Spendenpaket<br />
dabei und zwei Paletten Energydrinks der<br />
Marke »Non Stop – Military Edition«.<br />
Bei Fahrten an die Front gibt es zwei Philosophien, was<br />
die Fahrzeugwahl angeht:<br />
a) Man versucht, ein möglichst robustes und modernes<br />
Auto zu nehmen, idealerweise mit Panzerung, Offroad-Fähigkeiten<br />
und Allradantrieb, um für jede Situation<br />
gewappnet zu sein.<br />
b) Man wählt ein geländeerprobtes Gefährt von einem<br />
Hersteller, der für Zuverlässigkeit und lange Lebensdauer<br />
steht – aber ein altes Modell, das nicht teuer ist,<br />
sodass ein Totalverlust nicht allzu dramatisch wäre.<br />
Unsere Variante ist leider:<br />
c) Ein rostiger Daewoo Lanos mit eigenartigen Motorgeräuschen<br />
und mehr als fünfzig Einschusslöchern<br />
in der Karosserie, die notdürftig mit Gaffa Tape überklebt<br />
wurden.<br />
Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache, das Risiko ist<br />
zu hoch. Aber wenn ich jetzt aussteige, erhalten die Leute<br />
im Dorf ihre Hilfsgüter nicht. Polina kann nicht selbst<br />
fahren, sie hat keinen Führerschein. Außerdem hat sie<br />
schon die ganze Bürokratie erledigt, damit wir durch die<br />
Checkpoints kommen. Vielleicht muss man manchmal<br />
schlicht mit dem arbeiten, was zur Verfügung steht. Und<br />
vielleicht ist das eine Lehre für Gegner von Materiallieferungen<br />
an die Ukraine: Wenn der Westen nichts<br />
herbringt, machen die Ukrainer trotzdem weiter. Nur<br />
mit erheblich schlechterem Material und mehr Risiko.<br />
Polina versichert, viele Soldaten zu kennen, die uns rausbringen<br />
könnten, falls, wie gestern, ein Reifen platzt.<br />
»Bei unseren medizinischen Evakuierungsfahrten haben<br />
wir auch ein Problem. Bislang hatten wir einen<br />
hübschen Ford Transit, aber den braucht das Militär an<br />
der Front, und wir kriegen dafür eine schäbige Buchanka«,<br />
berichtet sie, als wir mit dem voll beladenen Auto<br />
losrollen. Buchanka heißt »Kastenbrot« und bezeichnet<br />
Was für ein<br />
Engagement:<br />
Freiwillige Helfer<br />
bereiten in der Region<br />
Donezk jeden Tag<br />
Hunderte Mahlzeiten<br />
für Soldaten zu.