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PIPER Reader Herbst 2024

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als Ausdruck der Weigerung, sich auf gesellschaftlich<br />

eingefahrene oder vorgezeichnete Lebenswege<br />

einzulassen. Aber es war immer auch ein Element des<br />

wilden Denkens darin, sich nicht beirren zu lassen,<br />

seine jugendlichen Ideale nie zu verraten, ein Leben<br />

lang der Prämisse von »Abenteuer und Freiheit«, so<br />

der Titel einer tollen Single von Fehlfarben, zu huldigen.<br />

So, wie es Tears for Fears in »Shout« singen:<br />

I hope we live to tell the tale. Jederzeit Spontanität und<br />

Alltags-Dada zulassen. Unbedingt rauchen! Peinlichkeitsfreie<br />

Zonen schaffen! In mein handliches Detektiv-Diktiergerät,<br />

das ich lange Zeit immer bei mir trug,<br />

habe ich einmal, ich glaube, es war in der Heidelberger<br />

Max Bar über einem kleinen Heineken, den entscheidenden<br />

Satz artikuliert: »Schlimmste Spezies: Langweiler,<br />

die sich auch noch wohl fühlen.« Deswegen<br />

habe ich auch 2004, bevor ich meinen gut bezahlten<br />

Job bei Condé Nast in München geschmissen habe,<br />

um die Literatur-Zeitschrift DER FREUND in<br />

Kathmandu mit aufzubauen, auf den für Nepal eigens<br />

erworbenen iPod der zweiten Generation mit damals<br />

sensationellen 40 GB die Gravur »Eckhart Nickel<br />

Punk« einritzen lassen. Als Leitmotiv für alles.<br />

Die Band, die sich in dem Roman auf eine vollkommen<br />

ungewöhnliche, aber folgerichtige<br />

Weise gründet, besteht aus drei Mitgliedern.<br />

Wie lassen sich die drei beschreiben?<br />

Es gab in der Neuen Deutschen Welle mal ein Festival<br />

mit einem sehr sprechenden Namen: Geniale<br />

Dilettanten. Das sind sie alle drei, jeder auf seine Art.<br />

Was sie auch noch eint, ist ihre Musik-Begeisterung.<br />

Aber dann fangen schon die feinen Unterschiede an:<br />

Da ist natürlich vor allen Dingen Karen, die Erzählerin.<br />

Sie ist die Einzige, die tatsächlich ein Musikinstrument<br />

spielen kann, weil sie ganz klassisch Klavierunterricht<br />

gehabt hat. Aber sie rebelliert auch gegen<br />

das Bürgerliche, indem sie sich als eine Art Tomboy<br />

2.0. inszeniert. Rein äußerlich, indem sie beispielsweise<br />

Herrenhemden zu englischen Tweed-Röcken und<br />

Docs kombiniert. Aber auch durch ihre Jungsinteressen:<br />

Sie besitzt als passionierte Sternguckerin ein teures<br />

Teleskop und fängt im Roman gerade ein Mathematikstudium<br />

an, weil sie Primzahlen liebt, die muss<br />

man wenigstens mit nichts (und niemandem) teilen.<br />

»<br />

SCHLIMMSTE<br />

SPEZIES:<br />

LANGWEILER,<br />

DIE SICH AUCH<br />

NOCH WOHL<br />

FÜHLEN.<br />

Sie träumt von einer Karriere als Wissenschaftlerin im<br />

weißen Forscherkittel und einer Entdeckung im Kosmos<br />

der imaginären Zahlen, die sie mit menschlichen<br />

Gefühlen vergleicht, woraus ein ziemlich verklärtes<br />

Weltbild entsteht. Lambert ist der ältere der beiden<br />

Brüder, eigentlich ein klassischer Tech-Nerd, der aber<br />

durch seinen schrägen Stil auffällt. Er ist modisch und<br />

gedanklich Exzentriker, weil er bevorzugt von ihm<br />

selbst (kann nähen!) modifizierte Dreiteiler seines<br />

Großvaters zu Chucks trägt. Sein wilder Haarschopf<br />

erinnert Karen bei ihrer ersten Begegnung an Albert<br />

Einstein und Eraserhead von David Lynch zugleich.<br />

43<br />

ECKHART NICKEL<br />

INTERVIEW

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