18.04.2024 Aufrufe

PIPER Reader Herbst 2024

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

123<br />

STEPHAN ORTH<br />

LESEPROBE<br />

»<br />

Freude über<br />

Gastgeschenke: Iryna,<br />

85, empfing den Autor<br />

in Lyman, einer hart<br />

umkämpften Stadt<br />

im Osten der Ukraine.<br />

Ihre Wohnung wurde<br />

von einer Rakete<br />

zerstört.<br />

einen Allrad-Kleinbus des russischen Herstellers UAZ,<br />

der Spitzname kommt von seiner eckigen Form.<br />

Unser Ziel Stepnohirsk liegt dreißig Kilometer südlich<br />

von Saporischschja, vier Kilometer von der Frontlinie<br />

entfernt. Vor dem Krieg hatte die Kleinstadt<br />

etwa 4000 Einwohner, nun sind die meisten geflohen<br />

und nur noch ein paar Hundert geblieben. Polina ist<br />

dort mit einer Lehrerin in Kontakt, die uns an ihrer<br />

Schule erwartet. Kurz anhalten, Sachen reinbringen,<br />

zwei Fotos machen, dann wieder rausfahren, so lautet<br />

der Plan. Die Lehrerin schreibt ihr auf Telegram, das<br />

Gerücht über den Angriff mit Phosporbomben stimme<br />

nicht, es habe am Vortag nur Artilleriebeschuss<br />

gegeben.<br />

Während wir durch die Stadt fahren, diskutieren wir,<br />

was im Notfall zu tun ist. »Wir haben nur einen Helm<br />

und eine Weste. Die kriegst du, weil der Fahrer wichtiger<br />

ist – du kannst uns zum Krankenhaus bringen.<br />

Ich trage sowieso fast nie den Helm. Bitte blockiere<br />

nie den Weg für Militärfahrzeuge, die haben immer<br />

Vorfahrt. Wenn wir nah an der Front sind, schnallen<br />

wir uns nicht mehr an, falls wir schnell aus dem Auto<br />

springen müssen. Und zu Fuß bleiben wir immer auf<br />

asphaltierten Wegen, wegen der Minengefahr.« Polina<br />

legt zwei Tourniquets auf das Handschuhfach, als<br />

wäre es die alltäglichste Sache der Welt, zwei Tourniquets<br />

auf das Handschuhfach zu legen.<br />

Die Luftalarm-Sirenen von Saporischschja gehen<br />

los. Mir fällt auf, dass mein Handy-GPS nicht richtig<br />

funktioniert, die Karte zeigt unsere Position<br />

etwa zwei Kilometer weiter nördlich an. »Daran<br />

merkt man, dass Störtechnologie eingesetzt wird –<br />

von den Russen oder von uns. Damit die Raketen<br />

der anderen weniger zielgenau treffen«, erklärt Polina.<br />

Wir kurven im Slalom durch Betonklötze zu<br />

einem Checkpoint außerhalb der Stadt. Mürrische<br />

Soldaten mustern unsere Pässe und unsere Sondererlaubnis,<br />

wir dürfen passieren. Nun müssen wir<br />

noch zu einer versteckten Kommandozentrale, »für<br />

die Filtration«, sagt sie. Die genaue Position hat sie<br />

vergessen, keine Schilder weisen darauf hin. Also<br />

fahren wir erst mal ein paar Kilometer zu weit und

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!