PIPER Reader Herbst 2024
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JULIA FRIEDRICHS<br />
INTERVIEW<br />
Es gibt zwei Schwellen, da man sagt, dass Vermögen<br />
tatsächlich einen großen Unterschied macht: Die erste<br />
liegt, je nach Zinslage, bei einem Vermögen von<br />
drei bis fünf Millionen Euro. Ab dieser Summe ist<br />
es möglich, allein aus dem Vermögen zu leben. Das<br />
heißt, die Erträge sind so hoch, dass keine Erwerbsarbeit<br />
mehr nötig wäre. Die allermeisten Vermögenden<br />
arbeiten trotzdem, aber es wäre für ein gutes Leben<br />
eben nicht mehr erforderlich.<br />
Die zweite Schwelle hatte ich oben beschrieben. Sie<br />
liegt bei zwanzig oder dreißig Millionen Euro verfügbarem<br />
Vermögen. Ab dieser Größenordnung hängt<br />
an dem Geld, wenn man möchte, oft Einfluss.<br />
Wie geht es einem, wenn man sich mit einem<br />
Menschen trifft, der problemlos das Viertel<br />
aufkaufen könnte, in dem man wohnt – macht<br />
das etwas mit einem?<br />
Es ist sehr schwer vorstellbar. Immer wieder habe<br />
ich die Beträge, von denen ich wusste, umgerechnet.<br />
Eine Zahl mit wie vielen Nullen besitzt die Person,<br />
die da gerade vor mir auf dem Stuhl sitzt? Sehr<br />
großes Vermögen schafft ein Machtgefälle, eine<br />
Distanz. Konfrontiert mit seiner extremen Form,<br />
mit Hunderten Millionen von Euro, fällt es schwer,<br />
sich nicht unbedeutend zu fühlen, sich nicht devot<br />
zu verhalten. Ob man will oder nicht: Man ist aufgeregt,<br />
wenn man einen Milliardär auf dem Handy<br />
anruft. Und: Man denkt das Geld immer mit. Das<br />
hat mich selbst ein bisschen geärgert, dass ich auch<br />
bei den Superreichen, mit denen ich oft und lange<br />
gesprochen habe, das Geld nie so richtig ausblenden<br />
konnte. Das ist nicht ganz fair, weil auch Superreiche<br />
natürlich ein Recht darauf haben, als Persönlichkeit<br />
unabhängig von ihrem Vermögen wahrgenommen<br />
zu werden.<br />
Gab es einen Superreichen, der dich<br />
besonders beeindruckt hat?<br />
Fast alle meiner Gesprächspartner waren auf ihre<br />
Art beeindruckend. Manche beeindruckend reflektiert,<br />
manche hatten sich beeindruckend wenig<br />
Gedanken darüber gemacht, ob mit dem vielen<br />
Geld auch eine Verpflichtung einhergeht. Denn<br />
eines ist ja wichtig: Die Reichen gibt es nicht,<br />
genauso wenig wie die Armen. Genauso großer<br />
Unfug wäre es, die einen als, wie es das Klischee<br />
vielleicht will, unsozial und herzlos zu beschreiben,<br />
und die anderen als faul und antriebslos. So<br />
simpel sind Menschen nicht gestrickt. Ich habe mit<br />
freundlichen und herrischen Reichen gesprochen,<br />
mit zurückhaltenden und selbstbewussten, mit reflektierten<br />
und solchen, die sich mit dem Lauf der<br />
Welt nicht sonderlich zu beschäftigen schienen.<br />
Manche hatten Jachten, andere nicht mal ein Auto.<br />
Manche wollten mit dem Geld vor allem unternehmerisch<br />
etwas bewegen, steckten es in immer<br />
wieder neue innovative Unternehmen, andere in<br />
exzessivem Ausmaß in Beton.<br />
Was hat dich bei deiner Recherche am<br />
meisten überrascht?<br />
Uff. Die ganze Recherche war ein Reigen an Überraschungen.<br />
Ich war ja in vielen Welten unterwegs,<br />
die nicht so ganz alltäglich sind. Ich war auf Konferenzen<br />
von »Steuergestaltern« und in Salzburg bei<br />
einem Bürgerrat, den die Nachfahrin des BASF-<br />
Gründers Engelhorn, Marlene, veranstaltet, um<br />
25 Millionen ihres Vermögens an die Gesellschaft<br />
zurückzugeben. Ich war im China Club in Berlin,<br />
einem exklusiven »Vereinsheim« für Vermögende,<br />
wo allein die Aufnahmegebühr 10 000 Euro betragen<br />
soll. Und natürlich bei der Superjacht-Show in<br />
Monaco, wo man, wenn man toy, also »Spielzeug«<br />
sagt, gern Mini-U-Boote für private Tauchgänge im<br />
Millionensegment meint.<br />
Vor allem aber habe ich über Stunden Gespräche geführt.<br />
Und die Aufnahmen dieser spannenden und<br />
selten zustande kommenden Gespräche dann zu<br />
Hause abzuhören, war bei jedem Hören eine neue<br />
Überraschung.