PIPER Reader Herbst 2024

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STEPHAN ORTH
LESEPROBE
Haltestelle ohne Bus: Die Ukraine erlebt ein nationales
Trauma. Orth reiste für mehrere Monate durch das Land,
um über den Alltag im Krieg zu berichten.
müssen wieder umdrehen, bis wir die richtige Stelle
finden. »Filtration« klingt unangenehm und bedeutet
penible Überprüfungen. Polina muss einmal pro Woche
ihre Handydaten herzeigen, um zu beweisen, nicht
mit Russen in Kontakt zu sein.
Sie geht mit unseren Ausweisen rein und kommt nach
zehn Minuten zurück, alles in Ordnung. Bald fahren
wir zwischen grünen Baumreihen und üppigen
Feldern auf der schnurgeraden Fernstraße M18, die
Mittagssonne strahlt uns ins Gesicht. Auf einem Verkehrsschild
steht mit Sprühfarbe: »Es wird kein Referendum
geben, es wird ein Gericht geben in Den
Haag«. Zweimal kracht es rechts vor uns, Artillerie,
aber »das sind unsere, alles gut«. Ständig überholen
uns Pick-ups, Tanklaster und SUVs in Tarnfarben.
Erfreut nehme ich zur Kenntnis, auch zwei oder drei
heruntergerockte Schiguli-Kleinwagen zu sehen, wir
sind also nicht die Einzigen mit zweifelhaftem TÜV-
Status. Polina sieht sogar einen Vorteil in unserer
Schrottkarre: »Ich sammle Spenden aus Deutschland,
»
ES WIRD KEIN REFERENDUM
GEBEN, ES WIRD EIN GERICHT
GEBEN IN DEN HAAG.