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92<br />
JULIA FRIEDRICHS<br />
INTERVIEW<br />
INTERVIEW<br />
Liebe Julia, in deinem letzten Buch hast du über<br />
die Working Class unseres Landes geschrieben,<br />
eine gesellschaftliche Gruppe, zu der viele von<br />
uns ja Bezug haben. Wie kam es dazu, dass du<br />
dich jetzt den Superreichen zuwendest?<br />
Wir leben in einem Land, in dem vor allem die Ungleichheit<br />
der Vermögen sehr groß ist - auch im internationalen<br />
Vergleich. Das oberste Prozent der Bevölkerung<br />
hat ca. ein Drittel des Vermögens. Deutlicher<br />
ist die Ungleichheit noch bei Betriebsvermögen:<br />
Da liegen, Schätzungen der Uni Duisburg zufolge,<br />
86 Prozent bei den reichsten 1,5 Prozent. Das heißt:<br />
Vermögen ballt sich in Deutschland bei einer kleinen<br />
Gruppe von Menschen. Rund viertausend Haushalte,<br />
das sind die hinter den Milliardärsvermögen, besitzen<br />
geschätzte 1,4 Billionen Euro, rund drei Mal so viel<br />
wie der gesamte Bundeshaushalt.<br />
Was genau interessiert dich an den Reichsten<br />
der Reichen, und warum denkst du, dass wir<br />
mit ihnen beschäftigen sollen?<br />
Es gibt ein paar Klischees über Superreiche, die durchaus<br />
zutreffen: Während man anderswo, zum Beispiel in<br />
den Golfstaaten oder den USA, mit seinem Reichtum<br />
protzt, ist der deutsche Reichtum sehr viel diskreter,<br />
verborgener, nicht so offensichtlich. Nicht mal, wer die<br />
vermutlich reichste Familie des Landes ist, war öffentlich,<br />
weil die Familie erreicht hat, dass sie auf den Reichenlisten<br />
nicht auftaucht. Aber der Einfluss, der mit<br />
dem vielen Geld einhergeht, ist deshalb ja nicht geringer.<br />
Ich habe für mein Buch sehr lange und intensiv mit<br />
jemandem aus einer der reichsten Familien des Landes<br />
gesprochen. Er sagt offen: Natürlich zählen seine Bedürfnisse<br />
mehr als die normaler Bürger. Immer wieder<br />
würden ihm Treffen mit hochrangigen Politikern<br />
angeboten. Er müsse nur zuschlagen. Wenn er wollte,<br />
könnte er sein Geld in politische Macht umwandeln.<br />
Forscher sprechen davon, dass etwa ab einer Schwelle<br />
von 20 bis 30 Millionen das Budget erreicht ist, ab dem<br />
aus Vermögen Macht werden kann.<br />
In unserem alltäglichen Leben ist es ja eher<br />
unwahrscheinlich, dass wir einem oder einer<br />
Superreichen begegnen. Wie ist es dir<br />
gelungen, Kontakt zu einigen von ihnen<br />
aufzunehmen?<br />
Das ist sehr mühsam gewesen. Gemeinsam mit meinem<br />
Kollegen Jochen Breyer, mit dem ich eine ZDF-<br />
Dokumentation zum Thema gedreht habe, habe ich<br />
Brief um Brief geschrieben, versucht, Netzwerke in<br />
die Welt aufzubauen. Geholfen hat mir eine Kuriosität:<br />
Seit Kurzem gibt es in Deutschland geheime<br />
Gesprächskreise junger, eher kritischer Superreicher.<br />
Dort wurde mein Buch über Deutschlands<br />
Erben als Einstiegslektüre gelesen. Einige junge<br />
Reiche kannten mich also. Ansonsten braucht man<br />
vor allem Zeit und eine gewisse Nehmerqualität,<br />
was Absagen angeht.<br />
Wer sind die Superreichen in Deutschland,<br />
aus welchem Milieu stammen sie?<br />
Wenn man das so genau wüsste. Was fehlt, ist so<br />
etwas wie eine Soziologie der Superreichen. Großer<br />
Reichtum ist in Deutschland extrem schlecht erforscht.<br />
Auch bei Studien, auf denen »Reichtumsforschung«<br />
draufsteht, geht es, wenn man genau<br />
hinschaut, oft eher um den millionaire next door,<br />
Menschen, die ein, zwei Millionen haben. Das sind<br />
keine Superreichen. Es gibt inzwischen, zum Glück,<br />
Projekte, die das ändern wollen: am Max-Planck-Institut<br />
in Köln oder auch ein Forschungsprojekt der<br />
Volkswagenstiftung. Aber vieles steht noch am Anfang.<br />
Ein paar grundsätzliche Aussagen über Superreiche<br />
lassen sich natürlich treffen: Superreiche sind<br />
in der Mehrheit männlich. Sie sind fast immer Westdeutsche.<br />
Und nicht selten haben sie ihr Geld, zumindest<br />
in Teilen, geerbt.<br />
Was unterscheidet Superreiche von »normal«<br />
Vermögenden – außer der Menge ihres<br />
Besitzes?