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PIPER Reader Herbst 2024

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83<br />

HENDRIK STREECK<br />

INTERVIEW<br />

Die Pandemie ist vorbei, das Virus ist geblieben.<br />

Drei Jahre Ausnahmezustand liegen hinter uns, die geprägt waren von Ungewissheit, von<br />

sinnvollen und sinnlosen Maßnahmen, von Warnungen, Mahnungen und Überspitzungen.<br />

Wir sollten diese Zeit nicht einfach verdrängen, sondern sie aufarbeiten, aus ihr lernen<br />

und die so gewonnenen Erkenntnisse nutzen, nicht zuletzt, um uns auf zukünftige Pandemien<br />

und Krisen aller Art besser vorzubereiten.<br />

Essenziell für die richtigen Schlussfolgerungen ist eine ergebnisoffene, ehrliche, aber<br />

auch konsequente Aufarbeitung und Benennung von Fehlern und Versäumnissen. Dabei<br />

geht es nicht darum anzuklagen – es geht um Glaubwürdigkeit. Denn nur so können wir<br />

vermeintlich unversöhnliche Positionen auf dem Pfad eines offenen, diskussionsfreudigen<br />

und gar versöhnlichen Diskurses zusammenführen. Das ist nicht nur eine medizinische,<br />

sondern auch eine politische und gesamtgesellschaftliche Herausforderung.<br />

INTERVIEW<br />

Herr Streeck, der Titel Ihres Buchs lautet<br />

»Nachbeben – Die Pandemie, ihre Folgen und<br />

was wir daraus lernen können«. Warum finden<br />

Sie es persönlich wichtig, Lehren aus der<br />

Pandemie zu ziehen?<br />

Diese Pandemie war weltweit, aber auch für uns in<br />

Deutschland ein Jahrhundertereignis. Rückblickend<br />

ist es unerlässlich zu hinterfragen, ob wir angemessen<br />

reagiert haben. Was waren gute Strategien und<br />

welche Fehler haben wir gemacht? Es ist wichtig, aus<br />

dieser Analyse Lehren zu ziehen, um in zukünftigen<br />

Pandemien oder andersartigen Krisen besser agieren<br />

zu können. Während einige behaupten, wir hätten<br />

alles richtig gemacht, vertreten andere die Meinung,<br />

unsere Reaktion sei überzogen gewesen. In meinem<br />

Buch bemühe ich mich, ein ausgewogenes Bild dessen<br />

zu zeichnen, was gut verlief und worin wir besser werden<br />

könnten, um uns für die Zukunft widerstandsfähiger<br />

zu machen, ohne dabei Schuldzuweisungen<br />

vorzunehmen. Eine solche offene Analyse schulden<br />

wir insbesondere jenen, die unter den Pandemiemaßnahmen<br />

gelitten haben – sei es durch Vereinsamung,<br />

die Unmöglichkeit, Angehörige in Krankenhäusern<br />

oder Pflegeheimen zu besuchen, existenzbedrohende<br />

Lockdowns, die Schließung ihrer Betriebe oder<br />

Überforderung durch die Impfkampagne. Es ist<br />

von entscheidender Bedeutung, dass wir zukünftig<br />

sowohl Befürworter als auch Gegner der damaligen<br />

Maßnahmen einbinden. Ihnen allen gegenüber sind<br />

wir eine gründliche Aufarbeitung schuldig, um die<br />

während der Pandemie entstandene gesellschaftliche<br />

Spaltung zu überwinden.<br />

Hätten wir die Pandemie verhindern können?<br />

Mit dieser Frage hat sich das internationale, unabhängige<br />

Panel der WHO (The Independent Panel<br />

For Pandemic Prepardness & Response) vor ein paar<br />

Jahren beschäftigt und dort kam man zu einem klaren<br />

Schluss: Ja, es wäre möglich gewesen, die Coronapandemie<br />

abzuwenden. Es hätte gelingen können, wenn<br />

entschlossenes Handeln erfolgt wäre und ein effektiver<br />

Informationsaustausch zwischen den betroffenen

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