pdf-Dokument - Norman Eschenfelders Homepage

Jetzt war es kurz vor zehn und sie schaute auf die Uhr, als würde
sie zu ihr sprechen. Sie nickte sogar, als hätte sie gerade einer richtigen
Aussage der gelben Sonne zugestimmt.
Nein, sie nickte nur wegen der Anspannung, mit dem linken Arm
fütterte sie Dennis, der ihren Anflugmanövern immer wieder auswich.
Und mit dem rechten Arm schmierte sie sich ein Roggenbrot
mit Joghurtcremeaufstrich. Sie streute ein bisschen Schnittlauch
darüber und als sie dann versuchte noch ein Radieschen einhändig
zu schneiden, rutschte sie ab und schnitt in das Tischtuch. Sie
fluchte und in dem Moment, als Cassandra ihr erklärte, dass sie das
Wort nicht sagen durfte und das ganz böse von ihrer Mama fand,
dass sie es benutzte und sie es nicht durfte und so weiter, da sah
Carol Bilder vorbeihuschen.
Szenen aus ihrem Leben, die mit dem Tischtuch zu tun hatten
und ihre Eindrücke waren sehr unterschiedlich.
Da sah sie schöne Momente: Sie und Mortimer auf dem Tisch,
zum Beispiel. Oder Geburtstage.
Aber auch Unschöne, wie sie hier gesessen hatte, als ihr Vater
gestorben war und sie ans Telefon ranging und später auf die Decke
Tränen tropften ..
Ja.
Sie hatte das Tuch, rot und weiß, von ihrer Schwiegermutter be-
kommen.
Sie zischte: „Zum Glück ist es kaputt.“
Froh es endlich wegwerfen zu können, war es ihr dann auch e-
gal, als Cassie die Milch aus ihrer grünen Keramikschüssel verschüttete
und nicht leer trank, wie sie es eigentlich hätte tun sollen.
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