Zukunft der Schweizer Textilindustrie ? - ETH Zürich
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E2 Anhang E – <strong>Schweizer</strong> <strong>Textilindustrie</strong> nach Regionen<br />
Faktoren für die <strong>Zukunft</strong><br />
Die <strong>Textilindustrie</strong> ist seit Generationen in <strong>der</strong> Region Appenzell / St. Gallen verankert. Die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an kontinuierliche technologische und wirtschaftliche Innovationen haben in <strong>der</strong> Branche<br />
dauernd zu Umstrukturierungen geführt und viele Betriebe in den Konkurs geführt (Interviews mit<br />
Textilern). Bis heute haben jene Unternehmen überlebt, die hoch spezialisiert sind und Nischenprodukte<br />
herstellen, v.a. in <strong>der</strong> Veredlung und <strong>der</strong> Herstellung von technischen Textilien. Anhalten<strong>der</strong> Druck,<br />
Probleme bei <strong>der</strong> Beschaffung von Textilmaschinen und <strong>der</strong> Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften sind<br />
heute die wichtigsten Probleme und stellen das Überleben <strong>der</strong> Industrie in Frage. Die Branche ist an<br />
einem Punkt angelangt, an dem neue Lösungen notwendig sind. Lösungsansätze für mögliche<br />
Kooperationen – zur Nutzung von Synergien – wurden in <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 2002 entwickelt. 8<br />
E2 Region Glarus<br />
Historische Entwicklung<br />
Um 1740 hielt mit dem Bau <strong>der</strong> ersten Zeugdruckerei in Glarus die<br />
Fabrikindustrie Einzug ins Tal. Der Stoffdruck führte dazu, dass die<br />
Handweberei von Baumwolltüchern aufgenommen und <strong>der</strong> Handel<br />
immer wichtiger wurde. Glarner Handelshäuser etablierten sich in den<br />
wichtigsten europäischen Metropolen.<br />
Die Einführung von billigem englischen Maschinengarn nach 1780 und<br />
die Einführung <strong>der</strong> Maschinenspinnerei machten die Handspinnerei<br />
unrentabel, so dass diese aufgegeben werden musste. Ebenfalls fatal<br />
wirkten sich die Kriegswirren <strong>der</strong> Französischen Revolution auf die<br />
Region aus, die textile Produktion sank.<br />
Mit <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Wasserkraft als Antriebskraft und zum Auswaschen<br />
bedruckter Stoffe verbesserte sich 1810 die Situation in <strong>der</strong> textilen<br />
Produktion wie<strong>der</strong>. Als jedoch 1840 <strong>der</strong> mechanische Webstuhl seinen<br />
Siegeszug antrat, entzog das Fabriksystem <strong>der</strong> Heimweberei die Existenzgrundlage, was bei <strong>der</strong><br />
Bevölkerung zu Auswan<strong>der</strong>ungswellen führte.<br />
In <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19.Jh. begünstigte das englische Freihandelssystem den Handel mit dem<br />
glarner Zeugdruck, welcher dank ausgezeichneter Qualität und Wahrnehmung <strong>der</strong> Kundenbedürfnisse<br />
(Handelsnie<strong>der</strong>lassungen, Marktforschung) florierte.<br />
Während <strong>der</strong> Blütezeit um 1865 arbeiteten in den 22 Druckereien etwa 6000 Menschen, die jährlich<br />
grosse Mengen Tücher, hauptsächlich mittels Handmodel, bedruckten. In den zahlreichen Spinnereien<br />
und Webereien waren zudem annähernd 4000 Arbeitende tätig. Die <strong>Textilindustrie</strong> beschäftigte fast einen<br />
Drittel <strong>der</strong> stark gewachsenen Gesamtbevölkerung, die 1870 mit 35’200 einen Höhepunkt erreicht, <strong>der</strong> in<br />
den folgenden sechs Jahrzehnten nicht mehr erreicht werden soll. Denn die gewaltige industrielle<br />
Entwicklung, die das Glarnerland die Spitze <strong>der</strong> Industrialisierung einnehmen liess, erwies sich als zu<br />
einseitig.<br />
Der Deutsch-Französische Krieg (1870/71) löste eine Handelskrise aus und <strong>der</strong> Maschinendruck machte<br />
den Handdruck unrentabel. Der angeschlagenen <strong>Textilindustrie</strong> setzte dann die Weltwirtschaftskrise <strong>der</strong><br />
30er Jahre des 20. Jh. beinahe den Todesstoss.<br />
Die Anstrengungen zur Einführung neuer Industrien, die ab Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts unternommen<br />
wurden, hatten langfristig gesehen Erfolg. Metall-, Maschinen-, Elektro-, Kunststoff-, Nahrungsmittel- und<br />
chemische Industrie, Möbel-, Baustoff- und Teppichproduktion, Apparate-, Orgel- und Seilbahnbau,<br />
Dienstleistungsbetriebe und Tourismus haben, teils in alten Fabrikgebäuden, Einzug gehalten. Diese<br />
Vielseitigkeit macht die glarnerische Wirtschaft wi<strong>der</strong>standsfähiger, obschon eine hohe<br />
Exportabhängigkeit weiterhin besteht.<br />
[http://www.glarusnet.ch/wi_raum/index.htm?/wi_raum/htm/wr_ge.htm;<br />
Bild: http://www.blumer-f.ch/Ubersicht/ubersicht.html]<br />
8 Vgl. Schöll, R., Hofer, A. & Kooijman, C. (2003). Appenzeller <strong>Textilindustrie</strong>. In R.W. Scholz, M. Stauffacher, S.<br />
Bösch & P. Krütli (Hrsg.). 2003. Umwelt Wirtschaft Region – Der Fall Appenzell Ausserrhoden. <strong>Zürich</strong>: Rüegger.