E&W-Printausgabe 3/2011
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Liebe Leser<br />
o eine gepflegte Habituation ist eine inter-<br />
Sessante, aber nicht ungefährliche Sache. Ich<br />
habituiere, genauso wie Sie vermutlich, jeden<br />
Tag. Mehrmals und unbemerkt, weil es eben<br />
das Wesen der Habituation ist, dass sie kein großes<br />
Theater macht, sondern einfach passiert.<br />
Etwa immer wenn ich in den Keller meines<br />
Hauses hinab steige und den Heizraum betrete.<br />
Da steht nicht nur der orangefarbene Gasbrenner,<br />
der mir über die Jahre ans Herz gewachsen<br />
ist, sowie Waschmaschine und Wäschetrockner<br />
– da hängt auch eine einzelne und ziemlich<br />
nackte Glühbirne von der kahlen Decke. Eine<br />
gute, alte 100 Watt-Birne, die dort seit zehn<br />
Jahren ihren Dienst versieht. Sie versieht, aber<br />
ich sehe sie nicht mehr – die Glühbirne, die<br />
„russische”. Nichts gegen Russen, aber von der<br />
Decke baumelnd? Na, ich weiß nicht. Da ich sie jedoch nicht<br />
mehr sehe, stört sie mich auch nicht. Der mitleiderregende Anblick<br />
ist schon längst meiner Habituation zum Opfer gefallen.<br />
Was so geschraubt klingt, ist der Fachausdruck für Gewöhnung<br />
und bedeutet, dass wir auf Reize, denen wir kontinuierlich ausgesetzt<br />
sind, irgendwann einmal nicht mehr reagieren.<br />
Sie kennen das: Es muss nur lange genug stinken – und irgendwann<br />
fühlt man sich olfaktorisch gar nicht mehr belästigt.<br />
Mit dieser Ausgabe der E&W halten Sie nun den Beweis in Händen,<br />
dass selbst eine hartnäckige Gruppen-Habituation beendet<br />
werden kann. Und angefangen hat alles mit dem Logo. Nicht,<br />
dass ich jetzt behaupten würde, das alte E&W-Logo hätte un-<br />
angenehmen Geruch verbreitet,<br />
aber es wurde schon mehr<br />
oder weniger sanft vom<br />
Charme der Achtziger Jahre<br />
umweht. Dennoch hat es sämtliche Print-Relaunches der Vergangenheit<br />
überstanden, war einfach da, wurde niemals in Frage<br />
gestellt. So, als wäre es in Stein gemeißelt – ein guter Freund für<br />
alle Ewigkeit. Wir hatten uns daran gewöhnt und stellten gar<br />
nicht erst die Frage aller Fragen: Ist das noch zeitgemäß? Haben<br />
wir da nicht etwas verpasst?<br />
Es war eine illustre Runde rund um Irene Schantl, Herbert<br />
Haas junior, Josef Gludovatz und viele andere Freunde des Hauses<br />
(insgesamt fast 30 Personen), die an einem nasskalten Dezembertag<br />
2009 eher vorder- als hintergründig den Todesstoß<br />
des E&W-Logos vorbereiteten. Aber das war noch nicht alles.<br />
Ich hatte nämlich zu einem eintägigen Querdenker-Workshop<br />
gebeten und mir entscheidende Impulse für die zukünftige Entwicklung<br />
der E&W erhofft. Ich wurde nicht enttäuscht.<br />
In der Einladung damals war etwas zu lesen, zu dem ich auch<br />
heute noch stehe: „Besonders in Zeiten, in denen Aufmerksamkeit<br />
ein rares Gut ist und nur außergewöhnliche Dinge ihren<br />
Weg in die Köpfe der Menschen finden, müssen wir noch viel<br />
besser werden. Wir müssen hervorstechen aus der Masse an<br />
Printprodukten und unsere Leser begeistern. Dazu braucht es<br />
aber Ideen. Außergewöhnliche Ideen. Und diese wollen wir im<br />
Rahmen dieses Workshops finden. Daher haben wir kreative<br />
Menschen eingeladen, mit denen uns Persönliches verbindet, die<br />
Quer gedacht,<br />
neu gemacht<br />
Nichts gegen Russen, aber von der Decke<br />
baumelnd? Na, ich weiß nicht.<br />
neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen sind und<br />
die Spaß daran haben, Teil eines erstaunlichen<br />
Kreativitätsprozesses zu werden.”<br />
Es war ein lustiger und produktiver Tag mit<br />
einer Dynamik, die ich mir erhofft, aber nicht<br />
erwartet hatte. Es gab keine Tabus, niemand<br />
nahm sich ein Blatt vor den Mund. Und als wir<br />
am Ende des Tages vor lauter voll gekritzelten<br />
Flip-Charts gar keine Wand mehr sehen konnten<br />
war klar: E&W wird sich verändern. Ich<br />
habe noch die Worte von Irene Schantl im Ohr,<br />
die mir freundschaftlich drohte: „Ich werde<br />
ganz genau beobachten, ob ihr morgen wieder<br />
zur Tagesordnung übergeht, oder die Chance<br />
nützt und einen Schritt nach vorne macht.”<br />
Überleben heißt nicht bewahren. In aller<br />
Regel überlebt nur derjenige, der sich auch wandelt. Da aber Systeme,<br />
in denen Menschen am Werk sind, zur Trägheit neigen,<br />
muss der Wandel häufig von außen angestoßen werden – innere<br />
Bereitschaft vorausgesetzt. Denn der Gewöhnungseffekt lauert<br />
hinter jeder Ecke. Und besonders blöd ist, dass wir es oft nicht<br />
einmal bemerken, wenn uns der Kerl am Rücken hockt und uns<br />
von hinten Augen und Ohren zuhält. Schön daher, wenn es<br />
Menschen gibt, die uns hin und wieder rütteln und schütteln<br />
und uns die Spinnweben aus dem Hirn pusten.<br />
Ein Zitat des US-amerikanische Philosophen und Schriftstellers<br />
Henry David Thoreau hat mich die vergangenen Monate<br />
verfolgt und ziert nicht von ungefähr das Cover dieser Ausgabe:<br />
„Wichtig ist nicht was du<br />
siehst, sondern was du erkennst.”<br />
Der Relaunch von<br />
E&W Print ist nämlich nur<br />
der Auftakt zu einer beispielgebenden Konvergenz zwischen<br />
Print, Online und Mobile. Mit dem Relaunch von E&W Online,<br />
der rechtzeitig vor der Futura abgeschlossen sein wird, werden<br />
bei E&W Print-, Online- und Mobile-Welt ganz eng<br />
zusammenwachsen. Und das auf eine Art und Weise, die (einmal<br />
mehr) führend sein wird in unserer Branche. Lassen Sie sich<br />
überraschen – und sehen Sie nicht, sondern erkennen Sie.<br />
Veränderung funktioniert nur im Team. Daher möchte ich<br />
mich beim besten E&W-Team aller Zeiten bedanken, das mir<br />
jeden Tag so viel Freude macht. Und wenn Sie mehr vom<br />
E&W-Spirit und unseren Visionen<br />
erleben wollen, dann werden<br />
Sie Teil der E&W-Community<br />
DOWNLOAD<br />
auf Facebook. Das Konzept dafür<br />
stammt von Bettina Paur (Seite<br />
10) und zeigt, dass E&W anders<br />
ist. Das Original eben und keine<br />
schwache Kopie.<br />
DI Andreas Rockenbauer<br />
Herausgeber<br />
EDITORIAL<br />
Die Audioversion gibt s als<br />
Download auf elektro.at<br />
oder mittels QR-Code direkt<br />
aufs Smartphone.<br />
3/<strong>2011</strong> | 5