29.01.2013 Aufrufe

e-Buch-Psychologisch.. - Jochen Fahrenberg

e-Buch-Psychologisch.. - Jochen Fahrenberg

e-Buch-Psychologisch.. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

den Naturwissenschaften) Paradigma orientierten experimentellen, modelltheoretischen<br />

und quantitativen Sozialforschung begreifen.” (von Kardorff, 1991, S.<br />

3, für die Herausgeber des Handbuchs “Qualitative Sozialforschung”).<br />

An Prägnanz gewinnt diese Definition auch im weiteren Verlauf nicht. Die<br />

Gegenüberstellung “qualitativ” versus “quantitativ” und “einheitswissenschaftlich”<br />

bleibt oberflächlich, weil die Gründe dieses Dualismus kaum diskutiert<br />

werden. Eine Auseinandersetzung mit Stegmüllers Argumenten für die prinzipielle<br />

Einheit der wissenschaftlichen Methodik durch die Verpflichtung auf<br />

empirische Prüfung (siehe oben) fehlt. Die fundamentalen und eigentlich sehr<br />

einprägsamen formalen Bedingungen von Wissenschaftlichkeit werden nicht<br />

erwähnt. Weithin ungeklärt bleiben auch die beiden sehr naheliegenden und kritischen<br />

Kernfragen an die vorgetragenen Überzeugungen: nach den notwendigen<br />

Konventionen zur Begrenzung subjektiver Willkür von Interpretationen und die<br />

andere Kernfrage nach dem Beharren auf singulärem Verstehen oder dem<br />

Fortschreiten zu typisierender Ordnung oder Generalisierung der Ergebnisse als<br />

Ziel empirischer Wissenschaft.<br />

Abgesehen von den oft missverständlichen Aussagen über Quantifizierung gibt<br />

es häufig weitere begriffliche Unschärfen, z. B. hinsichtlich der Rolle latenter<br />

Bedeutungen und der Gütekriterien der Interpretation. Manche Formulierungen,<br />

die sich allgemein gegen Quantifizierung, Generalisierung und konventionelle<br />

methodenkritische Prüfungen richten, können manchmal den Eindruck erwecken,<br />

es ginge um die grundsätzliche Befreiung von Kontrollen. Das vielzitierte<br />

Prinzip der Offenheit qualitativer Forschung (u. a. Flick, et al., 2000; Hoffmann-<br />

Riem, 1980) darf nicht als eine Entschuldigung dienen, sich von der mühseligen<br />

Arbeit zurückzuziehen, die empirischen Grundlagen schrittweise zu sichern und<br />

intersubjektiv überzeugende Begründungen zu suchen.<br />

Auch die historische Perspektive dieser Diskussion ist oft viel zu kurz geraten.<br />

Wer behauptet, dass interpretierend-qualitative Methoden in der Psychologie erst<br />

heute in zunehmendem Maße beachtet würden, übersieht deren Dominanz über<br />

viele Jahrzehnte in der universitären Ausbildung und in der Berufspraxis. Diese<br />

These ist anhand von Vorlesungsverzeichnissen und Lehrbüchern bis in die 80er<br />

Jahre hinein zu belegen. Hatte nicht das phänomenologisch orientierte Lehrbuch<br />

von Lersch über den “Aufbau der Person” die höchsten Auflagen? Hatten nicht<br />

die Werke von Klages und Wellek, die Bücher von Freud und Jung eine große<br />

Leserschaft in der Fachwelt? Haben nicht Deute- und Interpretationsverfahren<br />

sowie die Graphologie in der psychologischen Diagnostik neben den Intelligenzund<br />

Leistungstests lange Zeit dominiert?<br />

Diese Vorgeschichte auszuklammern, aber auch die Grundlagen oder Parallelen<br />

heutiger Verfahren in der wesentlich älteren Biographik, Psychoanalyse,<br />

Traumdeutung, Graphologie, projektiven Testdiagnostik zu übersehen, wirkt<br />

sehr verkürzt und zutiefst unhistorisch – gerade in diesem Bereich.<br />

369

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!