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e-Buch-Psychologisch.. - Jochen Fahrenberg

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eine lange Tradition. Sie ist nicht nur für die Biographik wichtig, sondern z. B.<br />

auch im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit von Zeugen in der forensischen<br />

Psychologie. Können sich kleine Kinder wirklich an Ereignisse und ihnen<br />

zugefügte, strafbare Handlungen erinnern? Welchen Einfluss hat es, wenn sie<br />

nach der ersten Mitteilung wiederholt davon berichten mussten oder wenn sie<br />

vielleicht in suggestiver Form ausgefragt wurden?<br />

Zum Thema “falsche Erinnerungen” existiert eine umfangreiche Literatur, die<br />

sich vor allem auf das langfristige autobiographische Gedächtnis oder auf Erinnerungstäuschungen<br />

im Rahmen der forensischen Psychologie bezieht (Ross, 1991;<br />

Rubin, 1986, Strube & Weinert, 1987). Die Forschung hat Aufschlüsse über die<br />

zeitliche Organisation, Strukturierung, Schemabildung und Suchstrategien des<br />

autobiographischen Gedächtnis geliefert. Dazu gehören speziell die Verzerrungen<br />

und Täuschungen (Vergessen, Amnesie, Konfabulationen, systematische Fehler,<br />

recall error) sowie inhaltliche Bearbeitungen der Erinnerungen. Durch Suggestion<br />

und Einbildung lassen sich falsche Erinnerungen induzieren (Eisen, Quas & Goodman,<br />

2002). Dies ist u. a. in der forensischen Psychologie (z. B. Glaubwürdigkeit,<br />

Aussagen über traumatische Erlebnisse) und in der klinischen Psychologie (z. B.<br />

Symptomberichte, Konfliktschilderungen) wissenswert. Von einem Rückschaufehler<br />

(“hindsight bias”) wird gesprochen, wenn eine frühere Aussage an zwischenzeitlich<br />

bekannt gewordene Ereignisse angeglichen wird (Hawkins & Hastie,<br />

1990). Daneben gibt es eine Anzahl von empirischen Untersuchungen zur Zuverlässigkeit<br />

von retrospektiv ausgefüllten Fragebogen und von Tagebucheintragungen.<br />

Retrospektive Urteile können u. a. durch die zeitliche Nähe und<br />

emotionale Bedeutung, durch die Formulierung der Fragen und Antwortkategorien,<br />

durch implizite Konzepte und Erwartungen beeinflusst werden.<br />

Für Erinnerungsfehler (“recall error” oder “retrospection bias”) gibt es viele<br />

Quellen. Eine systematische Verzerrung ist als negative Verzerrung (bias) bereits<br />

beim Vergleich der abendlichen Gesamteinstufung eines Tages mit dem Mittelwert<br />

der über den Tag verteilten Selbsteinstufungen des Befindens und der Stimmung<br />

festzustellen (negativer Retrospektionseffekt, siehe Käppler, Brügner & <strong>Fahrenberg</strong>,<br />

2001). Auch die biologischen Grundlagen des (gestörten) Abrufs von episodischen<br />

Gedächtnisinhalten, die das eigene Leben betreffen, sind verstärkt untersucht<br />

worden (u. a. Amnesien und Konfabulationen, Verlust und Wiederkehr des<br />

autobiographischen Gedächtnis, sog. depressive Gedächtnisblockade, posttraumatische<br />

Störungen, Altern, siehe Markowitsch, 1992; Rubin, 1986).<br />

Zusammenfassung<br />

Trotz aller Einwände wegen möglicher Erinnerungstäuschungen und wegen<br />

absichtlicher Tendenzen der Selbstdarstellung bilden die Autobiographien ein<br />

wichtiges Anschauungsmaterial der Persönlichkeitspsychologie. Autobiographische<br />

Aufzeichnungen sind gewöhnlich durch den Wunsch nach Selbstbe-<br />

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