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e-Buch-Psychologisch.. - Jochen Fahrenberg

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weder zufällig noch völlig beliebig. Durch unsere Teilhabe an Sprache und<br />

Tradition können wir solche Übersetzungen mehr oder minder zutreffend hervorbringen.<br />

Es sind allerdings heuristische und vorläufige Übersetzungen. Der<br />

Zusammenhang der Teile mit dem Ganzen und die Überzeugungskraft der<br />

psychologischen Konstruktion sind im Interpretationsprozess methodenkritisch<br />

weiter zu entwickeln.<br />

Überinterpretation und Befangenheit<br />

Die psychologischen Konstruktionen sind zu phantasievoll; es wird zu viel unterstellt,<br />

ohne dass hinreichende Beweise gegeben werden. Der Interpret denkt sich<br />

diese Beziehungen aus oder projiziert seine eigene Sicht des Menschen, seine<br />

Lebenserfahrungen und persönlichen Probleme auf den Traumtext eines anderen<br />

Menschen. Angst, Krisen, Unfälle und Problemlösungen gibt es überall, Wasser<br />

und Brücken auch.<br />

Die psychologische Interpretation ist eine Art Gratwanderung. Eine zu sparsame<br />

Deutung, die sich zu eng an den Text hält, vielleicht nur andere sprachliche<br />

Ausdrücke findet, aber Einfälle und Assoziationen scheut und überkritisch<br />

zurückweist, wird kaum neue Beziehungen und Bedeutungsmuster erschließen<br />

können. Die übertrieben spekulative Deutung, welche aus geringen Anhaltspunkten<br />

tiefgründige Deutungen produziert oder nur die subjektive Verfassung<br />

des Interpreten reproduziert, ist überflüssig. Sie könnte durch nachhaltige Missverständnisse<br />

sogar Schaden anrichten.<br />

Der Interpret beginnt seinen Entwurf aus seinem Vorverständnis und mit den<br />

ersten Eindrücken vom Text. Weder die Person noch deren Menschenbild, d. h.<br />

ihre theoretische Sichtweise des Menschen, können hier ausgeklammert werden.<br />

Deswegen ist es unerlässlich, den Interpretationsprozess kritisch zu gestalten sowie<br />

systematisch nach Konvergenzen und nach Gegenentwürfen zu suchen. Dabei<br />

kann es vorkommen, dass sich ein Interpret vorrangig für bestimmte Themen, z. B.<br />

für spezielle Motive oder Konflikte interessiert, und nicht umhin kann, seine<br />

Konstruktion nach diesen Lieblingsthemen und im Selbstbezug zu entwerfen.<br />

Mit dem Begriff “persönliche Gleichung” wird diese Tendenz bezeichnet, im<br />

Material vor allem dasjenige selektiv aufzunehmen und von Vorurteilen geleitet<br />

zu interpretieren, was der eigenen Person und Einstellung (vielleicht auch den<br />

eigenen Problemen) entspricht. Statt den Text unvoreingenommen zu lesen, wird<br />

die eigene Verfassung hineinprojiziert. Die methodenkritischen Strategien des<br />

Interpretationsprozesses können solche Tendenzen verringern; im Idealfall ist es<br />

eine fachlich kompetente Interpretationsgemeinschaft. Auch diese ist nicht vor<br />

den Auswirkungen von Konventionen und sogenannten Selbstverständlichkeiten<br />

(als “persönlichen Gleichungen” der Gesamtgruppe) gefeit. Dennoch sind hier<br />

durch Erfahrung und durch pluralistische Verfassung weitaus mehr Chancen der<br />

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