Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt
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garantieren, insbeson<strong>der</strong>e den wie<strong>der</strong>holten Zugriff über einen längeren Zeitraum. Deshalb -<br />
so die plausible Vermutung - versichere die nachweislich kontinuierliche Verwendung eines<br />
Namens dem Historiker die zeitliche Persistenz des bezeichneten Objektes. Nicht <strong>der</strong><br />
Historiker behauptet also in seiner sortengeschichtlichen Untersuchung die Identität aufgrund<br />
<strong>der</strong> Namensgleichheit; es ist vielmehr Voraussetzung eines funktionierenden Saatgutverkehrs,<br />
dass Namen die Aufgabe erfüllen, identisches biologisches Material zu vermitteln.<br />
(2) Wenn in <strong>der</strong> Literatur eine Synonymiebehauptung zwischen Sorten hergestellt wurde, so<br />
geschah dies häufig dadurch, dass ein Züchter z.B. in Deutschland eine Sorte z.B. aus<br />
England übernahm und ihr dabei einen deutschen Namen gab - eine solche Synonymiebehauptung<br />
ist also zumindest im Prinzip gesichert (dass sie auch misslingen kann, wird<br />
später gezeigt 10 ). O<strong>der</strong>: Weil <strong>der</strong> Sortenkundler fragt, ob diese Sorte nicht mit jener identisch<br />
sei, testet er die beiden Sorten auf alle ihm mögliche Weisen auf ihre Unterschiede. Kann er<br />
keine feststellen, erklärt er die Sorten für synonym (s. oben Beispiel 2: Speiserübe ’Navet<br />
d'Auvergne tardif’). Wieso sollte ich als Historiker diese Synonymiebehauptung noch einmal<br />
kontrollieren?<br />
Auch ich werde die Kraft dieser Argumente nicht leugnen. Aber sie reicht nicht aus, den Sinn<br />
<strong>der</strong> beiden Fragen zu bestreiten. Worüber ich als Historiker <strong>der</strong> Sortengeschichte als<br />
Quellen verfüge, sind Texte und Bil<strong>der</strong>; in <strong>der</strong> Sortenkunde referieren diese Texte und Bil<strong>der</strong><br />
auf biologische Objekte, in <strong>der</strong> Transformation <strong>der</strong> Sortenkunde <strong>zur</strong> Sortengeschichte aber<br />
referieren diese Texte und Bil<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e Texte und Bil<strong>der</strong> - und niemals direkt auf<br />
biologische Objekte, denn diese stehen uns per se (aufgrund des zeitlichen Abstandes und<br />
<strong>der</strong> Lebensdauer <strong>der</strong> Gewächse) nicht mehr <strong>zur</strong> Verfügung. Während mir im praktischen<br />
Umgang mit Sorten meine Fragen zu Identität und Synonymie durch die Praxis des Sortenwesens<br />
beantwortet werden, muss ich für die Sortengeschichte erst Relationen zwischen<br />
Texten bzw. Bil<strong>der</strong>n konstruieren. Denn <strong>der</strong> Zweck meines wissenschaftlichen Handelns liegt<br />
gerade nicht im praktischen Zugriff auf ein definiertes biologisches Material, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />
Konstitution eines völlig neuen Objektes: <strong>der</strong> G e s c h i c h t e einer Sorte.<br />
These: Die sortenkundliche Referenz als Referenz auf lebensfähiges biologisches<br />
Material ist <strong>der</strong> Sortengeschichte prinzipiell abgeschnitten; und umgekehrt verfügt die<br />
Sortenkunde prinzipiell nicht über die Darstellungsmittel, eine diachrone (sortengeschichtliche)<br />
Referenz abzubilden (Abb. 2; folgende Seite).<br />
10 S. 49 mit Anm. 72.<br />
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