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Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt

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1. Bildliche (meist graphische) Darstellungen von Sorten dürfen in dieser historischen Rekonstruktion<br />

<strong>der</strong> Sortenbegriffe nicht unberücksichtigt bleiben, obwohl ihre Verwertung<br />

für die Rekonstruktion zeittypischer Beschreibungsnormen außerordentlich schwierig ist,<br />

weil wir sie - praktischerweise als komplexe Muster von Werten morphologischer Beschreibungsbegriffe<br />

aufgefasst - mit den Augen u n s e r e r morphologischen Typisierung<br />

lesen. (Etwas verkürzt gesprochen: Wer die UPOV-Merkmale und Ausprägungsstufen<br />

im Kopf hat, liest eine Abbildung vor dem Hintergrund von 9 Ausprägungsstufen,<br />

obwohl im begleitenden Text <strong>der</strong> Bildquelle vielleicht nur 2 Stufen formuliert werden.)<br />

2. "Sortenbeschreibung" ist nicht synonym mit "Beschreibung morphologischer Merkmale".<br />

Auch nichtmorphologische Kriterien können einen Identifikationsgehalt vermitteln, beispielsweise<br />

bestimme Verwendungsweisen - sie gehören also ebenfalls <strong>zur</strong> Sortencharakteristik<br />

37 . Schließlich aber kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass selbst <strong>der</strong><br />

Name einer Sorte identifikatorische Aufgaben erfüllt, dass er sortendifferenzierende Bedeutungselemente<br />

enthält. Beispiel: Sorte A und Sorte B werden in einer Sortenkunde<br />

durch ein bestimmtes Set von Merkmalen 1 bis 5 beschrieben, wobei diese Merkmale die<br />

gleichen Werte annehmen; in Bezug auf ein sechstes Merkmal, z.B. Frühzeitigkeit aber<br />

unterscheiden sie sich, doch kommt dieses Merkmal in <strong>der</strong> sortenkundlichen Quelle nicht<br />

vor, nur die Namen <strong>der</strong> Sorten A und B sind verschieden - umgekehrt formuliert: Die<br />

Sorten A und B haben genau wegen des Merkmals Nr. 6 verschiedene Namen erhalten,<br />

ich aber kann diesen Grund aus den sortenkundlichen Beschreibungen nicht erkennen.<br />

Namen sind in solchen Fällen nicht nur Etiketten für ein je bestimmtes Set von<br />

Beschreibungswerten wie in LINNÉ’s epochemachen<strong>der</strong> Unterscheidung von Name und<br />

Diagnose für die botanische/zoologische Taxonomie, son<strong>der</strong>n durchaus bedeutungstragende<br />

Beschreibungsbestandteile. Ich will dies noch an zwei Benennungs-<br />

Typen älterer Sorten demonstrieren:<br />

1 - beschreiben<strong>der</strong> Sortenname: In <strong>der</strong> Sortenkunde von BECKER-DILLINGEN 1950 (316f)<br />

steht uns <strong>zur</strong> Unterscheidung von Dithmarscher Allerfrühestes Weißkraut und Dithmarsches<br />

frühes Weißkraut nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Name <strong>zur</strong> Verfügung;<br />

2 - herkunftsbezeichnen<strong>der</strong> Sortenname: "Rammelt schlägt zum Winter-Kohl vier Arten<br />

vor: 1. den Samen von Höxter an <strong>der</strong> Weser; 2. Erfurtischen mittleren und kleineren;<br />

3. den von Baesdorf, im Anhaltischen an <strong>der</strong> Fuhne; 4. den ruelerischen, <strong>der</strong> von einem<br />

Orte gleichen Nahmens also genannt wird, auf dem Eichsfelde über Son<strong>der</strong>shausen"<br />

38 - offenbar übernimmt hier allein <strong>der</strong> Name identifikatorische Aufgaben mit<br />

sortendifferenzieren<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

"Sorte ist genau das, was die Durchführung einer Sortenbeschreibung umreißt". Dieser nun<br />

durch den Begriff des zeitschnittrelativen Beschreibungsrahmens tiefer geklärte Definitionsvorschlag<br />

hat (abseits aller wissenschaftstheoretischer Probleme mit operationalen Definitionen)<br />

den Sinn, ganz speziell eines festzuhalten: Der Informationsgehalt einer historischen<br />

Sortenbeschreibung in <strong>der</strong> Sortenkunde A im Zeitschnitt a ist prinzipiell unhintergehbar; <strong>der</strong><br />

mögliche Umfang unserer Kenntnisse ist mit dieser Quelle ausgeschöpft; Sorte 1 (A;a) ist für<br />

mich als Historiker genau das, was mir die Werte <strong>der</strong> Beschreibungsbegriffe mitteilen und<br />

umfasst nicht noch mögliche an<strong>der</strong>e Merkmalswerte, die ich bloß zufällig nicht kenne und<br />

aus an<strong>der</strong>en Quellen zu an<strong>der</strong>en Zeitpunkten ergänzen kann. Während die biologische<br />

Artdiagnose prinzipiell revidierbar ist, weil sie die Persistenz des biologischen Objektes, auf<br />

das sie referiert, in seinen wesentlichen Bestimmungsgrößen voraussetzt (und zwar im<br />

systematischen, nicht im nomenklatorischen Sinn (Typusexemplar)), ist das auf <strong>der</strong><br />

Sortenebene nicht <strong>der</strong> Fall, weil die Sorte kein natürliches son<strong>der</strong>n ein kulturelles Objekt ist.<br />

Unter den kulturellen Sachgütern aber nimmt sie insofern eine Son<strong>der</strong>stellung ein, als sie<br />

permanent erzeugt werden muss, um zu bestehen; und in diesem zyklischen Wechsel von<br />

37 Auf nur physiologisch, nicht aber morphologisch verschiedener Sorten, will ich nur hinweisen, ohne<br />

darauf einzugehen.<br />

38 nach KRÜNITZ s.v. Kohl in Bd.42 (1788): 457.<br />

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