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Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt

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Anhang: Sorte - Bausteine zu einer Begriffsgeschichte<br />

Wie an<strong>der</strong>e Worte hat Sorte auf seinem Weg zum Terminus in bestimmten Fachsprachen<br />

Begriffsumfang und Begriffsinhalt geän<strong>der</strong>t.<br />

Die ältesten Belege für das Wort gibt es im 14. Jahrhun<strong>der</strong>t im mittelnie<strong>der</strong>deutschen<br />

Sprachraum; seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t findet es sich in <strong>der</strong> Kaufmannssprache als allgemein<br />

verbreitete Entlehnung teils über das gleichbedeutende mittelnie<strong>der</strong>ländische sorte aus dem<br />

gleichbedeutenden frz. sorte und teils aus dem gleichbedeutenden italienischen sorta, sorte.<br />

Zugrunde liegt jeweils das lat. sors (sortis) ’Los’ in <strong>der</strong> kaufmännischen Son<strong>der</strong>bedeutung,<br />

nach <strong>der</strong> die Ware in verschiedene Güteklassen aufgeteilt wird, die Lose (lat. sortes).<br />

heißen.<br />

(a) Schon im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t hat das Wort seine Funktion als allgemeinerer Klassifikationsbegriff<br />

für Sachen (beson<strong>der</strong>s Waren) ausgeweitet und wird parallel zu lat. species - Art und<br />

lat. genus - Gattung verwendet in <strong>der</strong> Bedeutung ’Eigenschaft, die ein Ding gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

Dingen kennzeichnet; Gesamtheit <strong>der</strong> so gekennzeichneten Dinge einer Art; Gattung,<br />

Kategorie, Typ, Klasse’, auch wertend für ’Güteklasse, Qualität, Wahl, Wertgruppe’.<br />

(b) Seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t wird es auch auf bare Zahlungsmittel bezogen (Münzsorten)<br />

und von daher bis heute noch für ’(Bar-)Geld ausländischer Währung, Devisen’ meist im<br />

Plural verwendet.<br />

(c) Seit Mitte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts wird es auch auf Menschen übertragen und allgemeiner<br />

verwendet, umgangssprachlich und leicht pejorativ für ’min<strong>der</strong>wertige Klasse, Species, Kaliber’.<br />

Bedeutung (a) ist die Quelle für die fachterminologische Bedeutung, in <strong>der</strong> Sorte mit Bezug<br />

auf Kulturpflanzen verwendet wird 108 . Wann und in welchem Kontext kommt es zu dieser<br />

fachsprachlichen Bedeutungseinengung und Bedeutungszuspitzung?<br />

KRÜNITZ schrieb 1788: "Der frühe o<strong>der</strong> frühzeitige weiße Kohl, frühzeitiges Kraut, Früh=Kraut,<br />

Brassica capitata alba praecox, Fr. Chou petit pommé hâtif, Engl. early Cabbage, ist ein überaus<br />

kleiner, rundlicher, etwas spitzig zugehen<strong>der</strong> Kopf=Kohl, welcher, so bald er sich geschlossen<br />

hat, sehr fest wird, und schon nach einigen Tagen berstet. Miller gedenkt zweyer Sorten<br />

desselben, early Yorkshire, und early Battersea-Cabbage. Beyde haben ganz glatte Blätter. Der<br />

letzte scheint etwas größer zu werden, als <strong>der</strong> erste,..." 109<br />

Wir scheinen das Wort in <strong>der</strong> uns geläufigen Bedeutung gefunden zu haben. Aber:<br />

"Man macht einen Unterschied zwischen Sommer- und Winter-Kopfkohl [zwei Kulturverfahren,<br />

s.o. S. 72], es werden aber beyde Sorten aus einerley Samen erzogen..." 110<br />

Im Absatz unmittelbar davor fällt ein an<strong>der</strong>es relevantes Wort auf:<br />

"Von den Varietäten des weißen Kopf-Kohles, als: dem canadischen Kohle, dem Chou verd de<br />

Provence, und dem Kohl von Anjou, werde ich weiter unten handeln."<br />

Sorte bedeutet also für KRÜNITZ günstigstensfalls zweierlei; und Varietät kann für unser<br />

’Sorte’ stehen, meint für uns aber etwas völlig an<strong>der</strong>es. Diese Bedeutungsunschärfe (für<br />

uns) <strong>der</strong> Worte beginnt sich ab dem späteren 18. Jahrhun<strong>der</strong>t zu problematisieren: seit<br />

LINNÉs neuem Nomenklatur-Verständis und dem Bedürfnis nach einer exakteren taxonomischen<br />

Terminologie. Aber noch 1866 beklagte ALEFELD im Vorwort zu seiner "Landwirthschaftlichen<br />

Flora", dass auf dem Gebiet einer Nomenklatur <strong>der</strong> Kulturpflanzen nach systematisch-botanischen<br />

Grundsätzen noch so gut wie nichts geschehen sei - kaum verwun<strong>der</strong>-<br />

108 GRIMM, JACOB - GRIMM, WILHELM: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10,1: Seeleben - Sprechen, bearb. v.<br />

MORITZ HEYNE, Leipzig (Hirzel) 1905: Sp. 1811-1813.<br />

SCHULZ, HANS (begonnen), fortgef. v. OTTO BASLER, weitergeführt im Institut für deutsche Sprache:<br />

Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 4: S, Berlin - New York (de Gruyter) 1978: 276-277.<br />

KLUGE, bearb. v. ELMAR SEBOLD: Etymologisches Wörterbuch <strong>der</strong> deutschen Sprache, 23. erw. Aufl.,<br />

Berlin - New York (de Gruyter) 1995: 772.<br />

Die Bedeutungen von (a) - (c) nach SCHULZ et al. 1978.<br />

109 KRÜNITZ s.v. Kohl in Bd.42 (1788): 386.<br />

110 KRÜNITZ 1788: 392.<br />

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