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Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt

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Das Grundproblem dieser Hierarchisierung ist: Welches <strong>der</strong> beiden Merkmale ist wichtiger?<br />

Eine stärker am Verwendungszweck ausgerichtete Glie<strong>der</strong>ung mag begründen: Die Farbe<br />

sei wichtiger, denn Sauerkraut aus Rotkohl sähe unappetitlich aus; eine stärker morphologisch<br />

orientierte Glie<strong>der</strong>ung vielleicht: die Form, die Farbe sei nachrangig, mehr noch, es<br />

gäbe ja Übergänge, Köpfe mit einer Anthozyan-Färbung des Deckblattes o<strong>der</strong> mit roten<br />

Rippen; o<strong>der</strong> man folgt unreflektiert <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Frühneuzeit gegen den Aristotelismus getroffenen<br />

erkenntnistheoretischen Vorentscheidung zugunsten <strong>der</strong> primären (Figur, Größe, Bewegung,<br />

Zahl) vor den sekundären Sinnesqualitäten; o<strong>der</strong> man argumentiert über die unterschiedlichen<br />

Grade <strong>der</strong> genetische Komplexität <strong>der</strong> Merkmalsvererbung...<br />

Die Glie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> älteren Literatur sind nicht son<strong>der</strong>lich entschieden, weil offenbar keine<br />

Klarheit darüber bestand, welche Argumentationsbasis tauglich wäre. Es waren die ersten<br />

Bemühungen um eine Einbeziehung und tiefere Unterglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kulturpflanzen-Formen<br />

in die botanische Systematik, die diese Vagheit zwar nicht löste, immerhin aber mit Begründungen<br />

explizit machte und diskutierbare Entscheidungen fällte: DE CANDOLLE 1822 (in <strong>der</strong><br />

dt. Übersetzung von 1824, S.17-19).<br />

"Die Unterscheidung <strong>der</strong> Spielarten, die bei dieser Unterart vorkommen, gründet sich auf die<br />

Gestalt des Kopfs und die Farbe <strong>der</strong> Blätter. Das erste Unterscheidungsmerkmal scheint mir<br />

wichtiger und sichrer, daher habe ich es bei Bestimmung <strong>der</strong> höhern Spielarten zu Grunde gelegt,<br />

wo man dann aber noch eine grüne und eine rothe Unterspielart zu unterscheiden hat.<br />

[S.18] Die sich auf die Gestalt des Kopfs gründenden Spielarten sind folgende [gekürzt]:<br />

depressa - <strong>der</strong> plattgedrückte Kohl<br />

sphaerica - <strong>der</strong> sphärische o<strong>der</strong> kugelförmige Kohl<br />

elliptica - <strong>der</strong> elliptische o<strong>der</strong> ovale Kohl<br />

obovata - <strong>der</strong> umgekehrt eiförmige Kohl<br />

conica - Zuckerhutkohl<br />

Konsequent ergänzt er dann:<br />

"Das Kraut aller dieser Spielarten behält entwe<strong>der</strong> seine natürliche, im Innern des Kopfes weißliche,<br />

an den äußern Blättern grünliche Farbe, und wird dann W e i ß k r a u t , W e i ß k o h l ,<br />

(c h o u p o m m é s b l a n c) genannt, o<strong>der</strong> es nimmt eine purpurrothe o<strong>der</strong> auch violette<br />

Färbung an, die an den auswendigen Blättern sehr dunkel, blaß dagegen an den innern ist; wo<br />

dann die Spielart r o t h e r o<strong>der</strong> b l a u e r K o p f k o h l (c h o u x p o m m é s r o u g e s o<strong>der</strong><br />

schlechthin c h o u r o u g e) genannt wird.<br />

Lassen sich die Formen noch tiefer glie<strong>der</strong>n?<br />

"Die Gärtner unterscheiden unter den Kopfkohlspielarten noch die Vollköpfe und die Hohlköpfe,<br />

(c h o u x à t ê t e p l e i n e u n d c h o u x à t ê t e c r e u s e); allein dieß Merkmal <strong>der</strong> Fülle<br />

und Leere ist nicht sehr beständig, und scheint mehr auf Rechnung des Zufalls als einer eignen<br />

Spielart zu setzen zu seyn."<br />

METZGER hat dann 1833 ausdrücklich gemacht, wie man zu einer Begründung primärer und<br />

sekundärer Merkmale gelangen kann. Ausgehend von <strong>der</strong> romantisch-naturphilosophischen<br />

Idee einer Urform und ihrer Entfaltungspotentiale gewann er eine morphogenetische Hypothese<br />

für die Ableitung <strong>der</strong> Spielarten aus <strong>der</strong> Urform.<br />

"Betrachtet man den wilden Kohl Brassica oleracea fruticosa zunächst im kultivierten Zustande<br />

in kräftigem Boden, so findet man die Aeste bereits vermin<strong>der</strong>t und nicht so zahlreich als in<br />

min<strong>der</strong> productivem Erdreiche des ursprünglichen Standorts; die Aeste erreichen dadurch eine<br />

größere Höhe, werden dicker und markiger und nähern sich allmählig den kultivirten Kohlarten;<br />

beseitigt man vollends von Jugend auf immer die Seitenäste, so wird <strong>der</strong> Hauptstamm stärker<br />

und kräftiger und nähert sich somit ganz dem Blattkohl... ebenso bilden sich die Blätter mehr<br />

aus, erhalten eine größere Ausdehnung und bilden an <strong>der</strong> Spitze eine offene Rose, und somit<br />

erscheint die 2te Unterart, Brassica oleracea acephala, <strong>der</strong> Kohl, <strong>der</strong> nun als Repräsentant <strong>der</strong><br />

übrigen Varietäten zu betrachten ist.<br />

Durch kräftigen Boden und den Reiz des Düngers entwickeln sich bei diesem einstämmigen<br />

Kohl mehr Säfte, die bei dem Mangel <strong>der</strong> Seitenäste, von denen sie aufgenommen werden sollten,<br />

dem Hauptstamme allein zugeführt werden, wodurch die Pflanze nach irgend einer Richtung<br />

sich auszudehnen sucht. Wenden sich nun diese Ausdehnung auf einen Theil <strong>der</strong> Pflanze,<br />

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