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Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt

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Zeitraum auf eine stabile Identität <strong>der</strong> Sorte in diesem Zeitraum zu schließen. Hinweise, die<br />

entsprechende Zweifel wachsen lassen, findet je<strong>der</strong> Leser älterer sortenkundlicher Literatur:<br />

(1) Wie oft wird darauf hingewiesen, <strong>der</strong> Anbauer solle das Saatgut nur bei einem zuverlässigen<br />

Saatguthändler, solle nur bei einem Züchter mit gutem Renomee, solle nur Originalsaatgut<br />

kaufen - offenbar erhöhte eine gute Kenntnis des Saatgutsektors die Sicherheit,<br />

dasjenige biologische Material zu bekommen, dass mit dem Namen versprochen wurde.<br />

"Es sei nicht verschwiegen, daß das Handelssaatgut dieser Sorte oft sehr schlecht ist. Mit keiner<br />

Sorte erlitt ich so große Hereinfälle und Enttäuschungen wie mit Vertuskohl [Wirsing ’Vertus’]<br />

und wie mit Nantaiser-Möhren". "Die Tabelle gibt über die Sorteneigenschaften [einiger<br />

Kopfkohl-Sorten] näheren Aufschluß. Das Ergebnis [des Vergleichs von bis zu 10 Herkünften<br />

einer Sorte] zeigt mit voller Deutlichkeit, daß es [im Hinblick auf den Ertrag <strong>der</strong> Marktware in<br />

dz/ha] oft weniger auf die Wahl <strong>der</strong> richtigen Sorte als auf die Wahl <strong>der</strong> richtigen Bezugsquelle<br />

ankommt." 11<br />

"Den Samen bezieht man ächt von Ulm unter vorhin erwähnter Adresse [Daniel Beiseler, Handelsgärtner<br />

in Ulm]. Ueberhaupt lasse man sich nicht mit jedem Samenhändler, beson<strong>der</strong>s<br />

denjenigen, die den Samen herumtragen, ein, son<strong>der</strong>n wende sich stets an eine bestimmte solide<br />

Samenhandlung." 12<br />

"Lei<strong>der</strong> sind wir auch noch nicht so weit, daß alles Saatgut, das ein und denselben Sortennamen<br />

führt, gleichartig ist. Ich habe zu Sortenanbauversuchen mir die gleichen Sorten von den<br />

verschiedensten Firmen kommen lassen und habe sie vergleichsweise nebeneinan<strong>der</strong>gebaut<br />

und das Ergebnis, daß es soviel Braunschweiger-Kraut-Sorten wie Samenhandlungen gibt. Das<br />

ist auch <strong>der</strong> Grund warum, z.B. auf die Mitteilungen in Fachzeitschriften über Kulturerfahrungen<br />

gar kein Verlaß ist. In keiner Literatur gibt es soviel Wi<strong>der</strong>sprüche wie in <strong>der</strong> gärtnerischen. Z.B.<br />

Glückstädter Kraut finde ich als Frühkraut sowohl wie auch als Spätkraut bezeichnet. Nach<br />

meinen Vegetationsbeobachtungen ist es mittelfrüh und dem Ruhm von Enkhuizen gleichzustellen.<br />

Dort empfiehlt zum Beispiel wie<strong>der</strong> jemand Braunschweiger Kraut als sehr haltbar. Bei<br />

mir fault es im Herbste schon auf dem Felde. Diese auseinan<strong>der</strong>weichenden Beobachtungen -<br />

sie tragen nicht zum Wohle des Ganzen bei - sind in <strong>der</strong> Hauptsache Ausflüsse des Saatgutund<br />

Sortenelends." 13<br />

(2) Aber es sind nicht nur institutionelle Gründe des Saatgutsektors, die Einfluss gewinnen<br />

auf die Frage nach <strong>der</strong> Homogenität und Identität einer Sorte. Es ist das biologische Material<br />

selbst, das die Suche nach <strong>der</strong> Identität des Objektes hinter dem Namen untergräbt. Ich<br />

habe gesagt: "Wenn jemand einer Sorte einen Namen gibt, dann soll dieser Name den<br />

identifizierenden Zugriff auf Saatgut bzw. Pflanzen mit ganz bestimmten Eigenschaften o<strong>der</strong><br />

Merkmalen garantieren, insbeson<strong>der</strong>e den wie<strong>der</strong>holten Zugriff über einen längeren Zeitraum."<br />

- Für welchen Zeitraum? Die Praxis eines funktionierenden Saatgut- bzw. Pflanzgutverkehrs,<br />

in dem Namen die Aufgabe erfüllen, identisches biologisches Material zu vermitteln,<br />

arbeitet mit an<strong>der</strong>en Zeithorizonten als die Sortengeschichte; und deshalb genügt <strong>der</strong><br />

Verweis auf das Funktionieren des Saatgutverkehrs auch nicht, um die Frage nach <strong>der</strong><br />

Kontrolle <strong>der</strong> Identitätsbehauptung abzuwischen. Die Ansprüche an Identität über die Zeit<br />

sind verschieden (Abb. 3; folgende Seite): Die Sortengeschichte ist auf eine langfristige<br />

(eigentlich: permanente) Identität eingestellt, im Saatgutverkehr genügen kürzere Zeiträume,<br />

an <strong>der</strong>en Rän<strong>der</strong> sich auch Verän<strong>der</strong>ungen einschleichen können, die unter <strong>der</strong><br />

Wahrnehmungsschwelle <strong>der</strong> Kunden bleiben 14 .<br />

11 BECKER-DILLINGEN 1929: 272 bzw. 273.<br />

12 METZGER 1833: 28 und für die "vorhin erwähnte Adresse" S. 26.<br />

13 BECKER-DILLINGEN 1924: 343.<br />

14 vgl. auch BRICKELL 1986: 31f: "There is, of course, the argument that it may not really matter if a<br />

cultivar name is transferred from stock to stock during years of reselection. From the trade viewpoint<br />

this may well be so but it could be extremely confusing where the original cultivar has been used for<br />

research purposes or is still available away from the main stream of breeding."<br />

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