Download - VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt
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Hintergrund rascher Verän<strong>der</strong>ungen. An<strong>der</strong>s formuliert: Ein Taxonom kann LINNÉs<br />
Artdiagnose von z.B. Brassica oleracea durch Merkmale vertiefen, die LINNÉ nicht<br />
benutzt hat o<strong>der</strong> nicht <strong>zur</strong> Verfügung standen, ohne sie zu ersetzen, weil er seine Arbeit<br />
vor dem Hintergrund <strong>der</strong> zeitlichen Persistenz <strong>der</strong> Art ausführt 69 . Betreibe ich hingegen<br />
Sortengeschichte, so kann ich eine historisch gegebene Sortenbeschreibung nicht durch<br />
meine aktuelle Sortendiagnose vertiefen. Denn ich kann eben nicht voraussetzen, dass<br />
die ehemals nicht beschriebenen Merkmalswerte mit den heute erhebbaren<br />
Merkmalswerten identisch sind, weil Sorten nicht per se in hinreichen<strong>der</strong> Weise<br />
persistieren, son<strong>der</strong>n "künstlich innerhalb gewisser Grenzen konstant gehalten" (MANS-<br />
FELD 1953) werden müssen.<br />
Wenn ich also unter dem potential-taxa-Konzept arbeite, müsste ich bei Sorten prinzipiell<br />
Umgrenzungsinformationen mitführen. Was soll ich aber tun, wenn in Gartenbüchern und<br />
auch in Sortenkatalogen häufig einfach nur Listen von Sorten-Namen stehen, die sich nach<br />
Meinung <strong>der</strong> Verfasser "von selbst verstehen", die also implizit auf umfassen<strong>der</strong>e sortenkundliche<br />
Informationen Bezug nehmen - die wir in <strong>der</strong> Regel nicht kennen -, weil sie sie<br />
nicht selbst geben?<br />
GRAEBNER & LANGE: Illustriertes Gartenbau-Lexikon, 4. Aufl., 1927<br />
Empfehlenswerte Formen:<br />
a) Karotten:<br />
Pariser Treib<br />
Holländische<br />
Duwicker<br />
von Guerande<br />
von Nantes (Nantaise)<br />
von Carentan<br />
Es wäre absurd, hier von "Duwicker sec. GRAEBNER & LANGE 1927" zu sprechen: Dieser<br />
Sortenbegriff wäre hochgradig unterbestimmt, fast leer.<br />
Letzten Endes aber entkommen wir dieser Absurdität nicht, genauer: Wir entkommen ihr<br />
beim Abstieg in die Vergangenheit nur so lange wir uns mit <strong>der</strong> zu bearbeitenden Quelle<br />
zumindest in <strong>der</strong> Nähe eines geregelten Sortenwesens bewegen, nur solange die Quellen<br />
einer bestimmten Zeitstellung selbst uns mit Informationen über den Typ <strong>der</strong> Sorte versorgen,<br />
d.h. noch genauer: solange die Quellen einer bestimmten Zeitstellung bei <strong>der</strong> Einordnung<br />
einer Sorte uns ein Relationensystem ihrer Begriffe von "Sorte" mitliefern, bei dem wir<br />
wenigstens ansatzweise in <strong>der</strong> Lage sind, den Grad an Durchzüchtung abzuschätzen, <strong>der</strong><br />
die Voraussetzung für die Anwendung unseres aktuellen Begriffs von "Sorte" ist. Ich glaube,<br />
dass wir die Schwelle, oberhalb <strong>der</strong> dieses Relationensystem noch einigermaßen funktioniert,<br />
beim Abstieg über das erste Viertel des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts in einer weichen Übergangszone<br />
verlassen. Wenn wir versuchen wollen, für die Zeit darunter den Rahmenbegriff<br />
o<strong>der</strong> die Rahmenbegriffe von "Sorte" zu rekonstruieren, können wir gar nicht an<strong>der</strong>s - zumindest<br />
weiß ich keine an<strong>der</strong>e Lösung -, als den Weg über den oben vorgeschlagenen<br />
operationalen Sortenbegriff zu gehen. Dann aber müssen wir genau das leisten, was ich<br />
oben (S. 28f) als notwendige Vorstudie für eine merkmalsorientierte sortengeschichtliche<br />
Datenbank vorgeschlagen habe: Rekonstruktionen <strong>der</strong> zeitspezifischen Beschreibungsrahmen<br />
von Sorten. Wenn wir also für eine namensorientierte Datenbank dasselbe als Vorarbeit<br />
leisten müssen, was wir für eine merkmalsorientierte Datenbank brauchen: Warum<br />
arbeiten wir dann nicht gleich an einer merkmalsorientierten Datenbank, nutzen ihre Vorteile<br />
und vermeiden die Nachteile ihrer namensorientierten Konkurrenz?<br />
Noch einmal an<strong>der</strong>s: Weil - im Unterschied zu Floristen o<strong>der</strong> Taxonomen bei <strong>der</strong> Benennung<br />
von Sippen - die Autoren sortenkundlicher Quellen kein Konzept für die Umschreibung und<br />
Abgrenzung ihrer Sorten mitführen müssen, würde die Verwendung einer Secundum-Formel<br />
[sec.] - ehemals gedacht <strong>zur</strong> Präzisierung des jeweiligen Sortenbegriffes - zu einer<br />
unhandhabbaren Inflation strukturell erzwungener, semantisch nur miserabel begründeter<br />
Sortenbegriffe führen:<br />
Braunschweiger Möhre sec. AUTOR A<br />
Braunschweiger Möhre sec. AUTOR B<br />
Braunschweiger Möhre sec. AUTOR C<br />
69 Vgl. z.B. MAC KEY 1981: 199 o<strong>der</strong> (unter dem Stichwort pattern/process) ANDERSSON 1990: 378.<br />
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