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Süddeutscher Barock, Rokoko und Klassizismus in Vergangenheit und ...

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weitem vollkommenste modern geistliche Gebäude von Deutschland, das ich wenigstens<br />

gesehen habe". Den eigentlichen Beitrag zu St. Blasien lieferte er aber erst 1796 im XII.<br />

Band von S. 52-167, also nach dem Tode Abt Gerberts aus e<strong>in</strong>er längeren Rückschau.<br />

Nicolai wurde an diesem Juli-Tag gleich nach se<strong>in</strong>er Ankunft am frühen Morgen dem Abt<br />

als Herausgeber der "Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Bibliothek" vorgestellt, fre<strong>und</strong>lich<br />

empfangen <strong>und</strong> vom Abt selbst <strong>in</strong> der Kirche herumgeführt, deren Rot<strong>und</strong>e noch mit<br />

Gerüsten ziemlich ausgefüllt war. Man besichtigte die Kuppelkonstruktion, hörte die Orgel<br />

während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes, aber unterhielt sich als Gelehrte mehr über andere D<strong>in</strong>ge<br />

wie die antike Musik <strong>und</strong> die literarische Metrik als über die Kirche <strong>und</strong> ihre Botschaft. In<br />

St. Blasien machte Nicolai noch die Bekanntschaft des damaligen Archivars Moritz<br />

Ribbele, des Oberrechners <strong>und</strong> quasi Bauleiters, des Mathematikers P. Paul Kettenacker,<br />

mit denen er zusammen auch wohl an der äbtlichen Mittagstafel speiste. Alle haben auf<br />

Nicolai e<strong>in</strong>en positiven <strong>und</strong> gelehrten E<strong>in</strong>druck gemacht. Besonders wirkte auf se<strong>in</strong> Gemüt<br />

der Abt Mart<strong>in</strong> II Gerbert selber, den er jovial, bescheiden, schlicht u.a. empfand. Nur<br />

e<strong>in</strong>mal me<strong>in</strong>te er bei se<strong>in</strong>er kritischen physiognomischen Beobachtung "unvermutet <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Auge der trübe, schwimmende Blick ascetischer klösterlicher Abtötung" (vielleicht<br />

e<strong>in</strong>e kurze Müdigkeitsphase des doch schon 61jährigen Abtes) bei ihm erkennen zu<br />

können. So sehr Nicolai vom Abt als aufgeklärtem, menschenfre<strong>und</strong>lichen Manne<br />

schwärmte, so übersah er 1796 doch nicht, dass Gerbert an den katholischen Dogmen<br />

unverbrüchlich festhielt, <strong>und</strong> die "apokalyptischen Deutungen <strong>und</strong> harten Aeußerungen<br />

wider die Protestanten" <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift der "Ecclesia militans" (S.84) von sich gab. Am<br />

Nachmittag besichtigte er noch e<strong>in</strong>mal die Kirche <strong>und</strong> die Klostergebäude (v.a. Archiv <strong>und</strong><br />

Bibliothek). Bei der Lektüre der durch e<strong>in</strong>ige Exkurse etwas weitschweifigen Analyse<br />

Nicolais im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> fällt das primär ästhetische Interesse <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e emotionalen<br />

Folgerungen auf. Die (christlichen) Inhalte, Bedeutungen s<strong>in</strong>d sek<strong>und</strong>är. Nicolai ist ganz<br />

von der W<strong>in</strong>ckelmannschen 'E<strong>in</strong>falt <strong>und</strong> stillen Grösse' <strong>und</strong> von dem "Erhabenen" e<strong>in</strong>es<br />

Pseudo-Long<strong>in</strong>us <strong>und</strong> Edm<strong>und</strong> Burke als e<strong>in</strong>e Art Weiterentwicklung des rhetorischen<br />

'stilus nobilis' oder 'modus sublimis' aber auch von 'Magnifizienz' u.ä. bee<strong>in</strong>flusst. Wie<br />

Schmieder, Wörner <strong>und</strong> die moderne Kunstgeschichte stellt Nicolai (wertende) Vergleiche<br />

mit anderen berühmten Bauten (Peterskirche, Rom, St. Paul's Cathedral, London, Sa<strong>in</strong>te<br />

Geneviève <strong>in</strong> Paris u.a.) an. Besonders am Aussenbau, der Fassade fühlte sich das Auge<br />

Nicolais oft beleidigt, das die "Vollkommenheit so nahe ... <strong>und</strong> durch bloße Sorglosigkeit<br />

der Baumeister" nicht die Ideal-Architektur erreicht worden sei. V. a. auf S. 96 stellt er<br />

sieben Kritikpunkte an der Porticus fest (die 3/4 Säulen, zu kle<strong>in</strong>e Nebentürme, E<strong>in</strong>gänge<br />

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