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Süddeutscher Barock, Rokoko und Klassizismus in Vergangenheit und ...

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"Die auf Förderung der <strong>in</strong>neren Religiosität als natürliche Tugend durch die äussere, auf<br />

Verbesserung <strong>und</strong> Läuterung des menschlichen Lebens im Diesseits gerichtete<br />

Gestaltung des Gottesdienstes <strong>und</strong> die Zurückdrängung des W<strong>und</strong>erglaubens spiegeln<br />

sich <strong>in</strong> Gestaltung <strong>und</strong> Ausstattung des Kirchenbaus wieder. Der Effekt des emotionalen<br />

Überwältigtse<strong>in</strong>s, die Vers<strong>in</strong>nlichung der Glaubensgeheimnisse im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es 'Theatrum<br />

sacrum' im <strong>Barock</strong>, weicht dem Anspruch der Rückführung des Menschen zu sich selbst,<br />

zu se<strong>in</strong>er natürlichen Religiosität. Die exzentrische Wirkung wird mit der konzentrischen<br />

Andacht vertauscht". Ausserdem würden Liturgie <strong>und</strong> Kirchenbau e<strong>in</strong>e Annäherung an<br />

den Protestantismus zeigen: so lauten die zentralen, etwas geistesgeschichtlichen <strong>und</strong><br />

allgeme<strong>in</strong> gehaltenen Thesen Karns gemäss dem Motto Abt Gerberts der Konzentration<br />

zur Andacht. Im weiteren versucht Karn das Gesagte am Gebäude <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Ausstattung<br />

zu beweisen. Die von Pigage als zu nah beie<strong>in</strong>ander stehenden <strong>und</strong> sich vielleicht<br />

störenden Seitenaltäre wurden schon oben angesprochen. Karn betont nochmals die<br />

schlichte (sparsame) Ausführung, den Verzicht auf Theatereffekte e<strong>in</strong>schliesslich von<br />

Ädikula-Architekturen <strong>und</strong> Vielfigurigkeit. Die von Karn geäusserte Änderung der<br />

Heiligenverehrung (z.B. verstärkte Fürbitterrolle) bei diesen eher an Grabdenkmäler<br />

er<strong>in</strong>nernden Altäre ist eigentlich kaum zu bemerken. In Wibl<strong>in</strong>gen ist e<strong>in</strong>e Andacht <strong>und</strong> die<br />

Zwiesprache mit den 'menschlichen' Heiligen(figuren) leichter nachvollziehbar. In St.<br />

Blasien wirkt es historisch distanziert auch mit der heute (veränderten?) Altargrab<strong>in</strong>schrift.<br />

Karn weist auf die klassenartige E<strong>in</strong>teilung der Heiligen <strong>in</strong> St. Blasien h<strong>in</strong>, wie sie<br />

Grandidier <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Aufzeichnungen mitteilte, <strong>und</strong> wie sie z.B. im Programm für das<br />

Zwiefalter Vierungsbild niedergelegt ist. Also ist dies nicht so sehr als aufklärerisches<br />

Moment zu sehen. Beim verworfenen Dixnard-Entwurf für Gitter <strong>und</strong> Hauptaltar<br />

<strong>in</strong>terpretiert Karn die Engel mit dem Schwenkbehältnis als Hostiengefäss, das se<strong>in</strong>en<br />

Ursprung im Mittelalter <strong>und</strong> <strong>in</strong> Frankreich gehabt habe. Die Nicht-Verwendung oder<br />

-Ausführung deutet eher auf e<strong>in</strong>en eigenen, auch praktisch nicht e<strong>in</strong>fach umzusetzenden<br />

Gedanken Dixnards h<strong>in</strong>. Man kann auch nicht feststellen oder sagen, dass Abt Gerbert<br />

historische, liturgische Formen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kirche rekonstruieren wollte. Im folgenden<br />

versucht Karn kunsthistorische <strong>und</strong> ästhetische Leitbegriffe der Zeit von 1755 bis ca. 1800<br />

wie 'E<strong>in</strong>falt, Simplizität, Stille Grösse (W<strong>in</strong>ckelmann), Schöne <strong>und</strong> Erhabene' (Burke) auf<br />

St. Blasien <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Bauherrn anzulegen. Es ist wohl davon auszugehen, dass Abt<br />

Gerbert diese geläufigen Schlagworte kannte, aber diese bei ihm nicht schon am Anfang<br />

gestanden haben. Selbst die E<strong>in</strong>gebung des Pantheons ist nach kritischer Lektüre der<br />

bislang bekannten Quellen nicht so klar. Interessanter als die bekannte Kritik David Vogels<br />

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