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3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

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etwas Eigenartiges, Spezifisches schon in <strong>der</strong> bloßen Anlage verrät“ 37 . Das korrespondiert<br />

deutlich mit Goethes „unerhörter Begebenheit“. Gleichzeitig stellt er aber fest, dass sich<br />

die <strong>Novelle</strong> „von dem einfachen Bericht eines merkwürdigen Ereignisses […] nach und<br />

nach zu <strong>der</strong> Form entwickelt, in welcher gerade die tiefsten und wichtigsten sittlichen<br />

Fragen zur Sprache kommen […]“ 38 . Seine Zeitgenossen können also nicht mehr über<br />

einfache Themen schreiben. Die Form (d.h. die formale Seite) beeinflusst diese<br />

Entwicklung erheblich und Heyse stellt fest, dass es nun, also einige Jahrhun<strong>der</strong>te nach<br />

Boccaccio, nicht mehr so einfach ist, auf die Art und Weise zu schreiben, wie es dieser<br />

getan hat:<br />

Wir wie<strong>der</strong>holen es: eine so einfache Form wird sich nicht für jedes Thema<br />

unseres vielbrüchigen mo<strong>der</strong>nen Kulturlebens finden lassen. Gleichwohl<br />

aber könnte es nicht schaden, wenn <strong>der</strong> Erzähler auch bei dem innerlichsten<br />

o<strong>der</strong> reichsten Stoff sich zuerst fragen wollte, wo ‚<strong>der</strong> Falke’ sei, das<br />

Spezifische, das diese Geschichte von tausend an<strong>der</strong>en unterscheidet. 39<br />

Der berühmte Falke, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> gegenwärtigen Forschung im Allgemeinen mit dem<br />

Dingsymbol gleichgesetzt wird, ist lediglich ein kleines Beispiel, eine Art Anknüpfung an<br />

das vorher angeführte Beispiel (die bereits erwähnte Inhaltsangabe <strong>der</strong> 5. <strong>Novelle</strong> des 9.<br />

Tages, die seitdem oft als „Falkennovelle“ bezeichnet wird). Durch das Herausreißen aus<br />

dem Kontext und das Verkürzen des Zitats, ohne das vorher Gesagte zumindest zu<br />

paraphrasieren, wird jedoch dieser Absatz zum Mittelpunkt des Irrtums.<br />

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen, Heyse hat in <strong>der</strong> Einleitung mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger versucht, die Kriterien zu beschreiben, an denen er sich bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong><br />

<strong>Novelle</strong>n hält. „Das <strong>Novelle</strong>nschatzvorwort ist hierfür [Heyses Meinung über die <strong>Novelle</strong><br />

als Gattung] nur eine Quelle […] weil es hier eigentlich nur um Rechtfertigung <strong>der</strong><br />

Auswahlprinzipien für eine Anthologie geht […] Trotzdem stehen hier auf einigen Seiten<br />

wichtige Aussagen über das Wesen <strong>der</strong> <strong>Novelle</strong>.“ 40 Die Tatsache, dass seine Ansichten<br />

für eine Theorie gehalten werden, obwohl sie in keiner wissenschaftlichen Abhandlung<br />

vorkommen, son<strong>der</strong>n in einem Vorwort für ein breites Spektrum von Lesern, ist schlicht<br />

ein Missverständnis.<br />

37 Heyse „Einleitung“, S. 40.<br />

38 Ebd. S. 38.<br />

39 Ebd. S. 41.<br />

40 Hillenbrand, „Heyses sogenannte Falkentheorie“, S. 79.<br />

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