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3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

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nochmals Apage!’ – Beim Zeus sagte <strong>der</strong> Centaur, das freut mich, endlich<br />

einem redenden Menschen zu begegnen, <strong>der</strong> dazu noch griechisch spricht.<br />

Du wirst mir nun wohl auch sagen können, Alter, wer diese schöne Frau ist,<br />

ob sie noch lebt, was Ihr hier treibt, und wie sich überhaupt Alles seit<br />

gestern so fabelhaft verän<strong>der</strong>t hat. 289<br />

Der Zentaur weiß natürlich überhaupt nichts von <strong>der</strong> christlichen Religion. Er kann also<br />

auch nicht wissen, was die Leute in <strong>der</strong> Kirche machen, dass die schöne Frau die Jungfrau<br />

Maria ist und „apage“ zum Wegjagen des Teufels dient. Abgesehen davon kann <strong>der</strong><br />

Priester außer dem einzigen Wort wahrscheinlich kein Griechisch mehr o<strong>der</strong> ist nicht<br />

geistesgegenwärtig genug, um mit dem Zentauren zu kommunizieren. Der Zentaur, als er<br />

plötzlich „die vom Schreck verstörten Wackelköpfe <strong>der</strong> alten Männer und die verwelkten<br />

Gesichter <strong>der</strong> greisen Weiblein unter ihren hohen Pelzhauben“ sieht, beginnt sich zu<br />

fürchten, „er möchte in ein Coventikel von Hexen und Zauberern gerathen sein und Strafe<br />

leiden, wenn er ihr geheimes Wesen noch länger störe“ 290 .<br />

Genelli erklärt dem Zentauren, dass er „in einer verwünschten Lage“ 291 ist, denn<br />

die zeitgenössische Gesellschaft kann ihn nicht gebrauchen. Er bedauert, dass <strong>der</strong> Zentaur<br />

nicht im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t aufgetaut ist, denn er hätte sich „nach Italien begeben“ können,<br />

„wo damals alles Antike wie<strong>der</strong> sehr in Aufnahme kam“, und sogar seine „heidnische<br />

Nacktheit“ 292 hätte niemanden gestört. Mit einem leicht bitteren und ironischen Ton<br />

erläutert Genelli dem Zentauren, dass er in <strong>der</strong> heutigen Zeit von den „Gassenbuben“ mit<br />

„faulen Äpfeln“ beworfen, von den „Pfaffen […] für den Gottseibeiuns“ gehalten, von<br />

den Zoologen untersucht und seziert, „damit man sähe, wie sich Euer Menschenmagen<br />

mit dem Pferdemagen vertrage“ und von den „Kunstgelehrten“ als „ein schamloser<br />

Anachronismus, eine totgeborene und nur galvanisch belebte Reliquie aus <strong>der</strong> Zeit des<br />

Parthenonfrieses“ 293 bezeichnet werden würde. Kaum jemand aus <strong>der</strong> Gesellschaft des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts wäre bereit, den Zentauren so zu akzeptieren, wie er ist, und ihn einfach<br />

leben zu lassen, wie es zum Beispiel Genelli tut.<br />

Dem Zentauren gefällt Nanni, die trotz ihrer Verlobung mit dem Dorfschnei<strong>der</strong><br />

seine Aufmerksamkeiten erwi<strong>der</strong>t. Der Dorfschnei<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Zentaur sind absolute<br />

289 Ebd. S. 271.<br />

290 Ebd. S. 272.<br />

291 Ebd. S. 272.<br />

292 Ebd. S. 272. Auch <strong>der</strong> Maler in Die zürnende Diana würde sich wünschen in <strong>der</strong> Antiken Welt o<strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Epoche <strong>der</strong> Renaissance zu leben. Vgl. Kapitel 3.4.5. Für die Rolle <strong>der</strong> Antike in Psyche siehe Kapitel<br />

3.4.2.<br />

293 Ebd. S. 272-273.<br />

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