07.10.2013 Aufrufe

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Weib von den schwarzen fahrenden Leuten […] aus ihrer Kammer schlüpfen“ 129 sieht,<br />

stellt er ihr die Frage. Dem Text lässt sich entnehmen, dass die Zigeunerin <strong>der</strong> guten<br />

Gräfin wahrsagte: „‚Ich habe ein großes Leid, Meister Cyprianus, und möchte wissen, ob<br />

noch eine Zeit kommt, wo es von mir genommen wäre.’“ 130 Der Besuch <strong>der</strong> „Heidin“ ist<br />

für einen Arzt und Gläubigen wie Cyprianus <strong>der</strong> letzte Tropfen. Der einzige „mil<strong>der</strong>nde<br />

Umstand“ ist die Verzweiflung <strong>der</strong> guten Gräfin, die sie dazu getrieben hat, sich mit den<br />

Heiden einzulassen. Er entscheidet sich also, ihr auf eine an<strong>der</strong>e Art und Weise zu helfen.<br />

Paradoxerweise steht aber auch Cyprianus selbst auf <strong>der</strong> Schwelle zwischen dem<br />

Aberglauben und dem Christentum. Schon in dem ärztlichen Beruf <strong>der</strong> damaligen Zeit<br />

vermischen sich <strong>der</strong> Aberglaube, o<strong>der</strong> genauer eine Art „Naturmagie“, und das<br />

Christentum. 131 Es ist christlich, an<strong>der</strong>en Menschen uneigennützig zu helfen. Ein Arzt in<br />

<strong>der</strong> damaligen Zeit war aber auf viele Mittel angewiesen, die mindestens mit dem<br />

Aberglauben, wenn nicht mit <strong>der</strong> Hexerei, verbunden waren. Cyprianus selbst beteuert:<br />

„‚Man hält mich,’ setzte <strong>der</strong> Greis geheimnisvoll lächelnd hinzu, ‚in meiner Heimat für<br />

nicht unkundig <strong>der</strong> Dinge <strong>der</strong> Natur. […] Die Kräfte <strong>der</strong> Natur sind niemals böse in<br />

gerechter Hand.’“ 132 Die Amme unterbricht ihre Erzählung und ergänzt noch, dass seine<br />

Schriften „in dem unterirdischen Gewölbe eines Schlosses an Ketten gelegt“ wurden,<br />

„weil man geglaubt hat, es seien böse, das Heil <strong>der</strong> Seele gefährdende Dinge darin<br />

enthalten“ 133 .<br />

Cyprianus’ Geschenk ist auch eine Mischung aus <strong>der</strong> „Naturmagie“ und <strong>der</strong><br />

Religion. Ein Spiegel, <strong>der</strong> durch positive Energie eine Schwangerschaft bewirken und<br />

prophezeien kann, ist kaum mit <strong>der</strong> Gedankenwelt des Christentums kaum zu vereinbaren.<br />

Wie aber Cyprianus in seinem Brief schreibt, ist Gott wichtiger als das Wirken des<br />

Spiegels selbst: „‚Wollet aber nicht vergessen, das Letzte in allen Dingen steht allezeit in<br />

<strong>der</strong> Hand des unergründlichen Gottes.’“ 134 Er versucht, allen klar zu machen, dass<br />

ohnehin Gott entscheidet, was natürlich auch gleichzeitig eine vorläufige<br />

„Entschuldigung“ für ein mögliches Scheitern ist.<br />

Wenn man darauf besteht, dass Gott unergründlich ist und sein Vorgehen für den<br />

Menschen nicht unbedingt nachvollziehbar sein muss, ist man aller Sorgen los, weil man<br />

129 Ebd. S. 44.<br />

130 Ebd. S. 44.<br />

131 Mehr dazu bei Kay Peter Jankrift, Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter (Darmstadt:<br />

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005). O<strong>der</strong> bei Robert Jütte, Ärzte, Heiler und Patienten.<br />

Medizinischer Alltag in <strong>der</strong> frühen Neuzeit (München/Zürich: Artemis, 1991).<br />

132 Ebd. S. 45.<br />

133 Ebd. S. 45.<br />

134 Ebd. S. 46.<br />

33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!