3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
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Weib von den schwarzen fahrenden Leuten […] aus ihrer Kammer schlüpfen“ 129 sieht,<br />
stellt er ihr die Frage. Dem Text lässt sich entnehmen, dass die Zigeunerin <strong>der</strong> guten<br />
Gräfin wahrsagte: „‚Ich habe ein großes Leid, Meister Cyprianus, und möchte wissen, ob<br />
noch eine Zeit kommt, wo es von mir genommen wäre.’“ 130 Der Besuch <strong>der</strong> „Heidin“ ist<br />
für einen Arzt und Gläubigen wie Cyprianus <strong>der</strong> letzte Tropfen. Der einzige „mil<strong>der</strong>nde<br />
Umstand“ ist die Verzweiflung <strong>der</strong> guten Gräfin, die sie dazu getrieben hat, sich mit den<br />
Heiden einzulassen. Er entscheidet sich also, ihr auf eine an<strong>der</strong>e Art und Weise zu helfen.<br />
Paradoxerweise steht aber auch Cyprianus selbst auf <strong>der</strong> Schwelle zwischen dem<br />
Aberglauben und dem Christentum. Schon in dem ärztlichen Beruf <strong>der</strong> damaligen Zeit<br />
vermischen sich <strong>der</strong> Aberglaube, o<strong>der</strong> genauer eine Art „Naturmagie“, und das<br />
Christentum. 131 Es ist christlich, an<strong>der</strong>en Menschen uneigennützig zu helfen. Ein Arzt in<br />
<strong>der</strong> damaligen Zeit war aber auf viele Mittel angewiesen, die mindestens mit dem<br />
Aberglauben, wenn nicht mit <strong>der</strong> Hexerei, verbunden waren. Cyprianus selbst beteuert:<br />
„‚Man hält mich,’ setzte <strong>der</strong> Greis geheimnisvoll lächelnd hinzu, ‚in meiner Heimat für<br />
nicht unkundig <strong>der</strong> Dinge <strong>der</strong> Natur. […] Die Kräfte <strong>der</strong> Natur sind niemals böse in<br />
gerechter Hand.’“ 132 Die Amme unterbricht ihre Erzählung und ergänzt noch, dass seine<br />
Schriften „in dem unterirdischen Gewölbe eines Schlosses an Ketten gelegt“ wurden,<br />
„weil man geglaubt hat, es seien böse, das Heil <strong>der</strong> Seele gefährdende Dinge darin<br />
enthalten“ 133 .<br />
Cyprianus’ Geschenk ist auch eine Mischung aus <strong>der</strong> „Naturmagie“ und <strong>der</strong><br />
Religion. Ein Spiegel, <strong>der</strong> durch positive Energie eine Schwangerschaft bewirken und<br />
prophezeien kann, ist kaum mit <strong>der</strong> Gedankenwelt des Christentums kaum zu vereinbaren.<br />
Wie aber Cyprianus in seinem Brief schreibt, ist Gott wichtiger als das Wirken des<br />
Spiegels selbst: „‚Wollet aber nicht vergessen, das Letzte in allen Dingen steht allezeit in<br />
<strong>der</strong> Hand des unergründlichen Gottes.’“ 134 Er versucht, allen klar zu machen, dass<br />
ohnehin Gott entscheidet, was natürlich auch gleichzeitig eine vorläufige<br />
„Entschuldigung“ für ein mögliches Scheitern ist.<br />
Wenn man darauf besteht, dass Gott unergründlich ist und sein Vorgehen für den<br />
Menschen nicht unbedingt nachvollziehbar sein muss, ist man aller Sorgen los, weil man<br />
129 Ebd. S. 44.<br />
130 Ebd. S. 44.<br />
131 Mehr dazu bei Kay Peter Jankrift, Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter (Darmstadt:<br />
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005). O<strong>der</strong> bei Robert Jütte, Ärzte, Heiler und Patienten.<br />
Medizinischer Alltag in <strong>der</strong> frühen Neuzeit (München/Zürich: Artemis, 1991).<br />
132 Ebd. S. 45.<br />
133 Ebd. S. 45.<br />
134 Ebd. S. 46.<br />
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