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3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

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4.1.3 Archibalds und Virginies Beziehung<br />

Archibald trifft Cleopatré, die später auf Virginie umgetauft wird, in Paris und<br />

„das fremdartige Gesicht mit dem seltsamen morgenländischen Typus“ 207 fällt ihm sofort<br />

auf. Bereits bei dieser ersten Begegnung befindet er sich in einem Zwiespalt, denn als<br />

[…] sie die großen Augen zu mir aufschlug, durchzuckte mich ein<br />

seltsames Gefühl <strong>der</strong> Teilnahme, das mich antrieb, mich ihrer anzunehmen,<br />

da es ihr am Gesicht am Gesicht geschrieben stand, daß sie unglücklich sei.<br />

Aber zugleich hielt mich eine noch stärkere Macht zurück, meine<br />

Stimmung deutlicher blicken zu lassen. 208<br />

Sie scheint seinen Zwiespalt zu spüren, obwohl er sich nichts anmerken lässt, und verfolgt<br />

ihn. Sie folgt ihm heimlich am ersten Tag ihrer Begegnung, zehn Tage später findet er sie<br />

vor seinem Haus. Durch die Portiersfrau erfährt er ihr Schicksal – dass sie ein Kind eines<br />

französischen Ingenieurs und einer ägyptischen Frau sei, in Alexandrien aufwuchs und<br />

mit zehn nach Paris kam. Ihr Vater sei gestorben und sie müsse sich durch den<br />

Blumenverkauf durchschlagen. Archibalds Gefühle sind zwiespältig: Einerseits will er ihr<br />

helfen, an<strong>der</strong>erseits will er sie so fern wie möglich halten, da er Angst vor sich selbst hat:<br />

„Aber ich fürchtete mich vor mir selbst, wenn ich mit ihr unter einem Dach leben sollte,<br />

und so faßte ich den heroischen Entschluß, <strong>der</strong> mir schwer genug wurde, sie am an<strong>der</strong>en<br />

Ende von Paris bei einer würdigen alten Modistin unterzubringen […].“ 209<br />

Statt die Situation zu lösen, versucht er auszuweichen. Sie bittet ihn in einem<br />

Brief, sie zu ihm zu nehmen. Als er sie daraufhin abholt, erklärt ihm die Modistin: „Es ist<br />

irgend was nicht richtig in dem Kopf des guten Kindes. […] Meine Mädchen behaupten<br />

sie sei verliebt.“ 210 Er bietet Virginie an, sie zurück nach Alexandrien zu schicken, was sie<br />

aber vehement ablehnt. Er versucht, ihr zu erklären, dass er sie nicht liebt und dass sie<br />

sich am nächsten Tag das letzte Mal sehen. Ihr Selbstmordversuch bricht aber seinen<br />

Wi<strong>der</strong>stand.<br />

Archibald fühlt sich schuldig und schmeichelt ihr, um sie am Leben zu erhalten,<br />

denn er weiß, dass sie sonst sehr apathisch wäre, wie vorher bei <strong>der</strong> Modistin. Das ist<br />

jedoch <strong>der</strong> schwerwiegende Fehler, weil ab diesem Augenblick alles nur noch<br />

komplizierter wird. Er nimmt sie zu sich nach Hause, aber er weiß, dass ihre Beziehung<br />

207 Ebd. S. 167.<br />

208 Ebd. S. 167.<br />

209 Ebd. S. 170.<br />

210 Ebd. S 170-171.<br />

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