07.10.2013 Aufrufe

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

vielleicht, und ich war feige und habe mich selbst gerettet!“ 328 Beim Schlittschuhlaufen<br />

kam sie wegen eigener Übermütigkeit auf dünnes Eis, auch wenn Frank sie warnte, und<br />

sank in den See hinein. Sie rief noch um Hilfe, aber er blieb, wahrscheinlich wegen des<br />

Schocks, am Ufer stehen und sah nur mit an, wie sie ertrank.<br />

Er betrachtet es als persönliches, eines Mannes unwürdiges Versagen und als eine<br />

Schande, dass er lebt und gesund ist. Er meidet die Menschen, vor allem die jungen<br />

Frauen. Nach dem Tod seines Vaters flüchtet er aus seiner Geburtsstadt zur Armee, die er<br />

aber auch verlässt, und reist in <strong>der</strong> Welt umher. Es nutzt aber nichts, weil ihn das Bild <strong>der</strong><br />

ertrinkenden Schwester Tag und Nacht quält. Da er es niemandem erzählt, kann ihm auch<br />

niemand helfen.<br />

Frau Hermine merkt gleich, dass etwas nicht in Ordnung ist, denn „irgendein<br />

Kummer schien ihm nachzugehen“ 329 . Sie traut sich nicht zu fragen. Als sie wissen will,<br />

wieso er noch nicht gebadet hat und ob er krank ist, weicht er aus: „Er sei völlig gesund<br />

[…] und das sei gerade das Schlimme“ 330 . Erst nach ihrer Rückkehr erfährt sie, was<br />

vorgefallen ist und warum er beim ersten Erwähnen des Sees flüchtete.<br />

Nach einem Jahr, als sie ihn wie<strong>der</strong> sehen, kann man ihm immer noch anmerken,<br />

dass sich sein zustand nicht wesentlich verbessert hat, obwohl er versucht, sich zu<br />

verstellen und heiter zu sein, denn „die Augen allein leuchteten vom unheimlich<br />

ängstlichen Leben, und ein nervöses Zucken <strong>der</strong> Augenbrauen verrieth ein geheimes<br />

Leiden“ 331 .<br />

Es plagen ihn Alpträume und in <strong>der</strong> ersten Nacht am See glaubt er, einen dieser<br />

Alpträume, den bis jetzt schlimmsten, in Wirklichkeit erlebt zu haben. 332 Noch in <strong>der</strong><br />

Nacht tröstet ihn Frau Hermine, wobei er ihr die ganze Wahrheit verrät und das erste Mal<br />

ausspricht, was ihn schon seit sechs Jahren quält. Frau Hermine versucht, ihm rational zu<br />

erklären, dass seine Schuldgefühle übertrieben sind:<br />

O mein theurer Freund, hätten Sie doch schon früher Ihr Herz<br />

ausgeschüttet! Diese überreizte Vorstellung, die Sie sich von einer<br />

vermeintlichen Schuld gebildet und so hartnäckig tiefer und tiefer ins Herz<br />

gedrückt haben – gewiß, lieber Freund, Sie wären längst davon<br />

328<br />

Ebd. S. 230 (hervorgehoben von Heyse).<br />

329<br />

Ebd. S. 206.<br />

330<br />

Ebd. S. 207.<br />

331<br />

Ebd. S. 213.<br />

332<br />

Für Details siehe Kapitel 4.3.4.<br />

78

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!