3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Der Zentaur schaut sich „mit einer höflichen Miene“ Genelli an und fragt ihn, „wo er sich<br />
hier befinde“ 282 .<br />
Im Gespräch mit Genelli stellt sich heraus, dass er außer <strong>der</strong> äußeren Schönheit<br />
und guten Sitten, die <strong>der</strong> Zentaur besitzt, als Landarzt tätig war. Dadurch wird auf das<br />
griechische Ideal von „kalokagathía“ angespielt – auf die Schönheit des Körpers und des<br />
Geistes, inklusive <strong>der</strong> guten Sitten. Das hebt ihn natürlich von dem sämtlichen Gesindel<br />
ab, das ihn, <strong>der</strong> Geschichte unkundig, für einen Teufel hält. Seine Gutmütigkeit äußert<br />
sich auch darin, dass er Jesus, das Weltwissen des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht besitzend, vom<br />
Kreuz helfen und seine Wunden behandeln will:<br />
[…] da hing ein Mann mit ausgebreiteten blutrünstigen Armen an ein Kreuz<br />
genagelt, aus einer Seitenwunde blutend […] gleichwohl schien <strong>der</strong><br />
Gemarterte noch am Leben […]. Er [<strong>der</strong> Zentaur] redete den armen kleinen<br />
Mann mit seiner freundlichsten Stimme an, fragte, um welches Verbrechens<br />
man ihn so schwer büßen lasse, ob er ihm vielleicht von seinem Marterholz<br />
herunterhelfen und die wunden verbinden sollte. 283<br />
Er kann ja nicht wissen, dass in <strong>der</strong> Zeit, in <strong>der</strong> er von seinem mehrere Tausend Jahre<br />
dauernden „Einfrieren“ in den Bergen aufwachte, eine ganz an<strong>der</strong>e Religion herrscht.<br />
Da Genellis Versuche, ihm seine Lage zu erklären, scheitern, und er sich auch<br />
einsam und missachtet fühlt, verspricht er dem Zentauren „bis uns etwas Gescheiteres<br />
einfällt, will ich selbst mein bischen [sic!] Armut mit Euch theilen“ 284 . Der Zentaur und<br />
Nanni, ein Dorfmädchen, die dem Zentauren gefällt und <strong>der</strong> er eine Rose schenkt, tanzen<br />
zwischen den Tischen, die an<strong>der</strong>en Gäste schauen ihnen zu. Mittlerweile schmieden <strong>der</strong><br />
Dorfschnei<strong>der</strong>, Nannis Verlobter, und <strong>der</strong> Priester böse Pläne gegen den nichts Böses<br />
ahnenden Zentauren. Er ist neidisch auf den Zentauren und hilft dem Geistlichen, die<br />
Bauern und Soldaten zusammenzurufen.<br />
Als Genelli sie kommen sieht, ruft er seinem „Freunde und Dutzbru<strong>der</strong> in [s]einem<br />
besten Griechisch zu, er möge auf <strong>der</strong> Hut sein; es sei auf ihn abgesehen“ 285 . Er hört ihn<br />
aber nicht und erst später kann er die Flucht ergreifen, indem er sie mit Nanni auf seinem<br />
Rücken überspringt. Er galoppiert auf einen Berg, lässt Nanni gehen, winkt Genelli zum<br />
282 Ebd. S. 266 u. 267.<br />
283 Ebd. S. 270.<br />
284 Ebd. S. 273.<br />
285 Ebd. S. 277.<br />
67