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3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses

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Jungfräulichkeit und <strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung ihrer Mutter zusammen. Möglicherweise hat sie<br />

Angst, die Mutter enttäuscht zu haben.<br />

Zu einer an<strong>der</strong>en Erklärung würde die Annahme führen, dass bei dem ersten<br />

Treffen etwas passiert ist, was mit Franz’ Fassung <strong>der</strong> Sage über Psyche 157<br />

zusammenhängt. In seiner Fassung muss nämlich <strong>der</strong> Stromgott Psyche verlassen,<br />

nachdem er sie aus <strong>der</strong> Flut gerettet hat. Bei ihrem zweiten Treffen in <strong>der</strong><br />

Ausstellungshalle wird sie ohnmächtig, als sie ihn sieht. Er nimmt sie zum zweiten Mal in<br />

seine Arme und verspricht ihr: „‚Nun laß ich dich nicht mehr; ich gebe Dich an keinen<br />

Gott heraus!’“ 158 Dadurch scheint sie von dem Bann gelöst zu sein. Im Text gibt es jedoch<br />

keine eindeutigen Signale, die eine <strong>der</strong> Hypothesen bekräftigen würden.<br />

3.4.4 Lebendiges Marmorbild<br />

Wie bereits gesagt wurde, stellt Franz das erste Treffen mit Maria in <strong>der</strong> Form<br />

einer Skulptur dar. Die Skulptur ist aber so lebensecht, dass die Leute glauben, die<br />

marmorne Gestalt des Mädchens jeden Augenblick aufatmen hören zu müssen. 159 Nach<br />

<strong>der</strong> Welle <strong>der</strong> Begeisterung „kam auch <strong>der</strong> Tadel zu Worte. Man fand das Ganze zu wenig<br />

stilvoll, das Herabhängen des einen Armes <strong>der</strong> Psyche insbeson<strong>der</strong>e zu naturalistisch“ 160 .<br />

Man spekuliert auch, dass Franz selbst <strong>der</strong> abgebildete Stromgott ist, was, wie <strong>der</strong> Leser<br />

weiß, wirklich <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Viel wichtiger ist aber, was Ernst in seinem zweiten Brief an Franz schreibt:<br />

Seitdem dein Marmorbild die Stille deiner Werkstatt verlassen hat und aller<br />

Welt zur Schau steht, ist es nicht mehr sie; es ist, wie an<strong>der</strong>es, nur noch<br />

Schöpfung deiner Kunst. Nun streckst du nach <strong>der</strong> Lebendigen deine Arme<br />

aus; <strong>der</strong> Verlauf ist so natürlich, daß je<strong>der</strong> Arzt ihn dir vorausgesagt<br />

hätte. 161<br />

157 Vgl. ebd. S. 28. Nach <strong>der</strong> Originalfassung von Apuleius sucht Psyche nach Eros’ Flucht ihren Geliebten<br />

und muss Aphrodite dienen. Eine ihrer Aufgaben ist es, eine Schönheitssalbe aus dem Totenreich zu<br />

bringen, aber weil Psyche die Salbe öffnet, fällt sie in einen todesähnlichen Schlaf. Aus diesem Schlaf<br />

weckt sie später Eros selbst, heiratet sie und sie gebärt ihm eine Tochter – Voluptas (Wollust). In Franz’<br />

Version stürzt sie sich nach <strong>der</strong> Flucht von Eros in die Flut und wird von einem Stromgott gerettet, <strong>der</strong> sie<br />

ans Ufer bringt und dem Gott übergibt.<br />

158 Ebd. S. 37. Eine detaillierte Analyse <strong>der</strong> Folgen von diesem Treffen sind im Kapitel 3.4.4 zu finden.<br />

159 Siehe Zitat auf S. 35, Fußnote 138.<br />

160 Storm, Psyche S. 30.<br />

161 Ebd. S. 33.<br />

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