3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
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zurückgekommen. Jedes unbefangene Ehrengericht würde Sie<br />
freigesprochen haben, gerade weil Sie selbst sich so hart anlegen. 333<br />
Er wie<strong>der</strong>holt ständig, dass es feige war, seiner Schwestern nicht geholfen zu<br />
haben. Das mag zwar stimmen, aber seine Flucht zum Militär und sein planloses Reisen<br />
zeugen auch nicht von Tapferkeit. Statt den Tatsachen ins Auge zu sehen und sich dem<br />
Problem zu stellen, flüchtet er. Im Seebad versucht er, jeglichen Kontakt zu an<strong>der</strong>en<br />
Menschen und beson<strong>der</strong>s zu jungen Frauen zu vermeiden. Als er Frau Hermine in<br />
Begleitung ihrer Kin<strong>der</strong> trifft, ist er kurz davor wegzulaufen, „dann aber schämte er sich<br />
doch, vor unseren Augen die Flucht zu ergreifen“ 334 .<br />
Als aber die Kin<strong>der</strong> vom Landhaus zu erzählen beginnen, ohne ihn verletzen zu<br />
wollen, flüchtet er, statt zu erklären, was passierte und warum es ihn so stört. Nach einem<br />
Jahr erscheint er wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stadt, wo er Max begegnet, und „hat auch diesmal wie<strong>der</strong>,<br />
da er meinem Sohn auf <strong>der</strong> Straße begegnete, unwillkürlich ihm auszuweichen<br />
versucht“ 335 . In diesem Fall überwindet er aber das zweite Mal sich selbst und besteht<br />
darauf, die Familie im Landhaus am See zu treffen, in dem seine Schwester ertrank.<br />
An dieser Stelle gibt es die erste Spur von Mut und Willen, sich dem Schicksal zu<br />
stellen. Nachdem aber Louison das Gedicht von <strong>der</strong> Seenixe vorliest, überwältigen ihn<br />
wie<strong>der</strong> die Schuldgefühle und er zweifelt wie<strong>der</strong>, „sie [die Gespenster] haben die<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung übelgenommen und mir nun gezeigt, wie viel Macht sie noch über mich<br />
haben und ewig behalten werden“ 336 . Er gibt sich wie<strong>der</strong> geschlagen und versucht gar<br />
nicht, etwas dagegen zu tun.<br />
In <strong>der</strong> Nacht glaubt er ein hässliches Seeweib mit zwei Kin<strong>der</strong>n und seine<br />
Schwester getroffen zu haben. Er erzählt Frau Hermine von dem Vorfall und gesteht ihr<br />
seine Gewissensbisse und fasst wie<strong>der</strong> den Entschluss wegzugehen. Frau Hermine<br />
versucht ihm zu erklären, dass es vielleicht „die bare Unmöglichkeit war, zu helfen, wenn<br />
nicht eine physische Erstarrung, gegen die alle Seelenkraft ohnmächtig, seine ganze Natur<br />
gelähmt wurde“ 337 . Nicht einmal das hilft und „darum wollen wir morgen<br />
freundschaftlich von einan<strong>der</strong> Abschied nehmen, für immer“ 338 .<br />
333<br />
Ebd. S. 232.<br />
334<br />
Ebd. S. 208.<br />
335<br />
Ebd. S. 212.<br />
336<br />
Ebd. S. 220. Siehe auch Zitat auf S. 75, Fußnote Nr. 314.<br />
337<br />
Ebd. S. 232.<br />
338<br />
Ebd. S. 232-233. Für die Details <strong>der</strong> Begegnung siehe Kapitel 4.3.4.<br />
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