3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Für die Zwecke dieser Arbeit sei bemerkt, dass das Übernatürliche etwas ist, was<br />
über die Gesetze <strong>der</strong> Natur hinausgeht und mit dem Verstand nicht zu erklären ist. 9 Es ist<br />
selbstverständlich die einfachste mögliche Definition, die aber genau beschreibt, was<br />
angestrebt wird. Es geht darum, gerade solche Elemente in den analysierten Texten zu<br />
finden, die die Grenzen des vernunftbasierten Verstehens und Wahrnehmens <strong>der</strong> Welt<br />
überschreiten. Präziser formuliert, es handelt sich um „Grenzsituationen“, die nach<br />
Todorov, Durst, Wünsch und vielen an<strong>der</strong>en zur Phantastik gehören. „Die<br />
Unschlüssigkeit des Lesers“, d. h. die Unmöglichkeit sich zu entscheiden, ob etwas<br />
übernatürlich, o<strong>der</strong> nur ein Zufall und falsche Deutung ist, „ist […] die erste Bedingung<br />
des Fantastischen.“ 10<br />
Auch wenn <strong>der</strong> Realismus auf den ersten Blick einfacher zu definieren ist, hat er<br />
mehrere Bedeutungen. Die in <strong>der</strong> Literaturwissenschaft am meisten verbreitete Bedeutung<br />
ist die literarische Epoche des Realismus, die ungefähr in die zweite Hälfte des 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts datiert wird. Es ist aber bei weitem nicht die einzige – nach Uwe Durst sind<br />
weitere vier zu beachten: „Der Realismus als objektive Abbildung <strong>der</strong> Wirklichkeit, […]<br />
<strong>der</strong> politische Realismusbegriff, […] <strong>der</strong> Realismus als Stilbegriff, […] <strong>der</strong> Realismus als<br />
Strategie eines literarischen Werks, die eigene Gemachtheit in Abrede zu stellen.“ 11 Wenn<br />
in dieser Arbeit vom Realismus gesprochen wird, handelt es sich ausschließlich um die<br />
literarische Epoche.<br />
In den Werkanalysen wird oft von zwei Arten <strong>der</strong> Realität gesprochen – <strong>der</strong><br />
fiktionsexternen und <strong>der</strong> fiktionsinternen. Die fiktionsexterne Realität ist das, was <strong>der</strong><br />
physische Leser tagtäglich erlebt. Die fiktionsinterne Realität ist die Welt <strong>der</strong> literarischen<br />
Figuren, also das, was die Figuren in dem jeweiligen literarischen Werk umgibt und dem<br />
Leser als ihre „Wirklichkeit“ präsentiert wird. Die fiktionsinterne Realität ersetzt Durst<br />
durch den Begriff „Realitätssystem“ 12 , <strong>der</strong> aber hier nicht benutzt wird, weil die<br />
Dichotomie fiktionsextern und fiktionsintern eindeutiger ist.<br />
Man könnte die beiden Realitäten noch näher spezifizieren und die Dichotomie<br />
fiktionsextern und –intern erweitern. Der Autor des jeweiligen Werks ist ein Bestandteil<br />
o<strong>der</strong>, besser gesagt, ein Repräsentant <strong>der</strong> fiktionsexternen Realität. Der Erzähler gehört<br />
wie<strong>der</strong>um in den Bereich <strong>der</strong> fiktionsinternen Realität. Im Realismus wird angenommen,<br />
dass in beiden Realitäten dieselben Naturgesetze gelten. Sobald aber manche<br />
9<br />
Paraphrase aus Duden, Das große Wörterbuch <strong>der</strong> deutschen Sprache, Stichwort „übernatürlich“.<br />
10<br />
Todorov, S. 31.<br />
11<br />
Durst, Das begrenzte Wun<strong>der</strong>bare, S. 30-31. Zu je<strong>der</strong> Bezeichnung liefert <strong>der</strong> Autor eine knappe<br />
Erklärung. Lei<strong>der</strong> ist es unmöglich, an dieser Stelle jede Erklärung zu erläutern.<br />
12<br />
Uwe Durst, Theorie <strong>der</strong> phantastischen Literatur (Berlin: LIT Verlag, 2007) S. 92.<br />
5