3.3.1 Sieben Merkmale der Novelle - Theses
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Er spürt von Anfang an, dass er sie nicht liebt und dennoch versucht er, „[s]ich<br />
aller Zukunftsgedanken zu entschlagen“ 215 , was natürlich keine Lösung ist, weil er früher<br />
o<strong>der</strong> später keine an<strong>der</strong>e Möglichkeit hat, als die „Beziehung“ zu beenden. Er schafft es<br />
aber nicht, sich als ehrenhafter Mann den Tatsachen zu stellen und es ihr mitzuteilen, reist<br />
heimlich nach Hause ab und hinterlässt eine ausweichende und unbestimmte Botschaft:<br />
„Ich müsse Tag und Nacht reisen und hätte sie nicht mitnehmen können und den<br />
Abschied ihr und mir ersparen wollen. Aber ich würde wie<strong>der</strong>kommen – so bald ich<br />
könnte. Und inzwischen möge sie sich pflegen und guter Dinge sein.“ 216 Er weiß von<br />
Anfang an, dass er nie wie<strong>der</strong> kommen wird, aber er lässt sie trotzdem hoffen. Er will gar<br />
nicht wissen, wie sie sich fühlt, und hofft, dass er „ohne Harm“ davon kommt, was<br />
natürlich sehr feige ist. An<strong>der</strong>erseits ist vielleicht einigermaßen verständlich, dass er<br />
Angst hat verfolgt zu werden, wie es ihm schon einmal passierte. Die Verfolgung kommt<br />
trotzdem zustande, nur in einer an<strong>der</strong>en Form, nämlich in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Statue, die ihn an<br />
alles erinnert und seine Schuldgefühle und Gewissensbisse noch steigert.<br />
Den Höhepunkt erreichen die Schuldgefühle in <strong>der</strong> Nacht, als ihm Virginie<br />
erscheint und Vorwürfe macht: „Höre, sagte sie, wenn ich es recht überlege, ist es doch<br />
grausam, daß ich schon hinunter muß und ihr bleibt hier oben und genießt das schöne<br />
Leben, das ihr mir gestohlen habt.“ 217 Sie beschuldigt Archibald und Cecil, dass sie ihr<br />
das Leben geklaut haben. Die Beschuldigung Cecil gegenüber ist ungerecht, weil Cecil<br />
von all dem nichts wusste. Der Einzige, <strong>der</strong> ihr durch seine Feigheit geschadet hat,<br />
Archibald war. Wobei aber bemerkt werden muss, dass sie beide im gleichen Maße an<br />
dem Ausgang beteiligt waren.<br />
4.1.5 Die Statue von Kleopatra<br />
Die Statue von Kleopatra ähnelt Virginie, was Archibald stark verwirrt und an<br />
seine Pariser Vergangenheit erinnert. Er hätte diese Zeit lieber vergessen, aber Virginie<br />
willigt ein, dass ein in sie verliebter französischer Künstler eine Statue schafft, die sie<br />
darstellt. „Ihr Name, ihre Abkunft, ihr Leiden am Herzen legten es ihm nah, eine<br />
Kleopatra daraus zu machen.“ 218 Ihre Absicht ist es, dass <strong>der</strong> Künstler die Statue nach<br />
Deutschland bringt, um Archibald an sie zu erinnern.<br />
215 Ebd. S. 175.<br />
216 Ebd. S. 177.<br />
217 Ebd. S. 195. Vgl. Kapitel 4.3.3.<br />
218 Ebd. S. 203.<br />
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