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Weichmacherverlust bei PVC-Objekten von Joseph Beuys – Versuche zu kurativen und konservatorischen Massnahmen<br />

TEIL II MATERIALTECHNISCHE ASPEKTE<br />

9 INTERPRETATION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />

9.1 Weichmacherhydrolyse als Antriebsmechanismus für die Entmischung<br />

Die Weichmacherprobe aus dem Beuys-Multiple enthält offensichtlich OH-Gruppen. Dies könnte ein<br />

Hinweis darauf sein, dass es sich um ein nicht-terminiertes Polyester handelt, d.h. dass bei der<br />

Veresterung keine zusätzlichen Monoalkohole oder Monosäuren als «Kettenstopper» eingesetzt wurden.<br />

In diesem Fall wären die Endgruppen der Polyestermoleküle natürlicherweise Hydroxyl- und Säure-<br />

gruppen. Meistens werden die Polyesterweichmacher jedoch terminiert, um die entstehende Kettenlänge<br />

besser kontrollieren zu können. 48<br />

Der zweite Erklärungsansatz besteht darin, die Anwesenheit von OH-Gruppen als Hinweis auf eine<br />

hydrolytische Spaltung von Estergruppen zu interpretieren. Wenn dennoch nicht deutliche Säuregruppen<br />

festzustellen sind, so könnte dies damit zu erklären sein, dass ein Teil der abgespaltenen Säuren flüchtig<br />

und somit in der Substanz nicht mehr nachweisbar ist.<br />

Der Nachweis von flüchtiger Essigsäure (und der Ausschluss von Vinylacetat als Copolymer) führt jedoch<br />

zu Annahme, dass der verwendete Polyesteradipat-Weichmacher Essigsäure abspaltet. In Felger 49 wird<br />

erwähnt, dass Polyester manchmal mit dieser monofunktionellen Säure terminiert werden. Eine solch<br />

kurzkettige Säure, einmal durch Hydrolyse wieder abgespalten, ist reaktiver und korrosiver als die in<br />

heute üblichen Produkten verwendeten, längerkettigen Terminierungen wie sie beispielsweise in Palamoll<br />

vorliegen (s. Struktur Palamoll, Grafik 7, S. 22).<br />

Wenn sich die Spektren von ausgewandertem und extrahiertem Weichmacher in Bezug auf Abbau-<br />

produkte nicht wesentlich voneinander unterscheiden, kann davon ausgegangen werden, dass die<br />

Abbauprozesse des Weichmachers nicht erst auf der Oberfläche, sondern bereits im Innern des Materials<br />

stattfinden. Die Hydrolyse des Weichmachers kann damit als Antriebsmechanismus für die Entmischung<br />

des Systems und die Auswanderung des Weichmachers gewertet werden.<br />

Die PVC-Degradation scheint im Moment für die Entmischungsprozesse weniger relevant zu sein, denn<br />

es konnte kein durch Degradationsprozesse des PVC abgespaltener Chlorwasserstoff (HCl) nachge-<br />

wiesen werden, und die Objekte weisen (im Moment noch) keine auffällige Verfärbung gegenüber dem<br />

Originalzustand auf.<br />

Das Mitauswandern von thermischen oder UV-Stabilisatoren könnte jedoch zur Folge haben, dass das<br />

verbleibende Material weniger gut vor oxidativen oder strahlungschemischen Angriffen geschützt wird<br />

und somit in Zukunft schneller degradieren wird.<br />

Als letzte Konsequenz des Weichmacherverlusts ist nicht ein „Davonfliessen“ oder „sich Auflösen“ der<br />

Objekte zu erwarten, wie von manchen EigentümerInnen befürchtet, sondern immer schwierigeres<br />

Handling durch die schmierige Weichmacherschicht und eine zunehmende Versprödung des Materials.<br />

Langfristig muss auch mit fortschreitender Dehydrochlorierung des PVC gerechnet werden, was<br />

einerseits in einer Dunkelfärbung resultieren wird, anderseits auch eine Gefährdung umliegender Objekte<br />

und Materialien mit sich bringt.<br />

Diese Befunde motivieren Versuche zur kurativen Konservierung des Materials.<br />

48 Wilson 1995, S. 161f<br />

49 Felger 1986, S. 633ff<br />

26

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