Selbstorganisation M11b.pdf
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2. Ökonomische Weltbilder<br />
2.1 Das mechanistische Weltbild<br />
Die Mechanik untersucht, wie sich einzelne Körper aufgrund der zwischen ihnen<br />
herrschenden Kräfte bewegen. Die klassische oder Newtonsche Dynamik 6 macht<br />
ihre Aussagen in Begriffen der Mechanik wie Position und Geschwindigkeit von<br />
Teilchen. Die Welt wird auf Raum-Zeitlinien (Trajektorien) einzelner materieller<br />
Punkte reduziert, wobei die Bewegung des Teilchens von A nach B völlig umkehrbar<br />
ist. Man macht einen grundlegenden Unterschied zwischen den (beliebigen)<br />
Anfangsbedingungen und den Bewegungsgleichungen, aus denen sich der<br />
dynamische Zustand des Systems ergibt. Die Zeit tritt ohne ausgezeichnete Richtung<br />
auf (Zeitreversibilität), der Impuls der Bewegung kommt von außen, die Teilchen<br />
treten in keinerlei Beziehung zueinander. Damit wird die klassische Dynamik<br />
in einer Wirklichkeit, die aus Zusammenstößen, Begegnungen, Zwängen und<br />
Austauschwirkungen besteht, zu einem reinen Denkmodell 7 . Das auf diesem basierende<br />
Wissenschaftsparadigma des 18ten und 19ten Jahrhunderts bestimmt<br />
immer noch die dominante Richtung der Nationalökonomie. Laut Lorenz 8 kann es<br />
auch als deterministisches Weltbild beschrieben werden. Für ihn sind zwei Eigenschaften<br />
wesentlich:<br />
Die Welt unterliegt deterministischen Gesetzen. Jedes Teilchen wie auch jedes<br />
Lebewesen verhält sich entsprechend eines eindeutig beschreibbaren<br />
Bewegungsgesetzes. Zufallskomponenten existieren nicht; stochastische<br />
Elemente weisen nur auf eine Nichtberücksichtigung von irrelevant erscheinenden<br />
Einflussgrößen hin. Würde man alle (sich gegenseitig beeinflussenden)<br />
Elemente eines Gesamtsystems erfassen können und die einzelnen<br />
Entwicklungsgesetze kennen, so wäre die zeitliche Entwicklung aller Komponenten<br />
präzise zu bestimmen 9 .<br />
Ein Gesamtsystem setzt sich aus Subsystemen zusammen, die isoliert voneinander<br />
untersucht werden können. Die Interaktion zwischen den Subsystemen<br />
ist durch eine Überlagerung von Einzelprozessen und deren lineare, in<br />
der Regel additive Zusammenhängigkeit gekennzeichnet (superposition principle).<br />
Das Gesamtsystem verhält sich wie die Summe seiner Teile. 10<br />
In den Wissenschaften und dem ihnen zugrunde liegenden Rationalismus 11 spielt<br />
6 Sie stellt kein abgeschlossenes Gebiet dar. Über die Zeit haben Wissenschaftler wie Lagrange, Hamilton, Poincaré entscheidende<br />
Beiträge geleistet, und bis in die heutige Zeit kommen immer neue Erkenntnisse dazu. Siehe dazu Prigogine(1988, S.39ff)<br />
7 Vgl. Jantsch(1984, S.56f)<br />
8 Vgl. Lorenz (1990)<br />
9 Formal-mathematisch äußert sich eine deterministische Theorie in der Verwendung von deterministischen (also kein stochastisches<br />
Element aufweisenden) Bewegungsgleichungen. Wenn die Startwerte im mathematischen Sinne genau bestimmt werden<br />
können, so können auch die zukünftigen Variablenwerte eindeutig bestimmt werden. In der klassischen Mechanik sind die<br />
Begriffe des deterministischen Weltbildes, der deterministischen Theorie und des deterministischen mathematischen Systems<br />
Synonyme.; Vgl. Lorenz (1990, S.182)<br />
10 Vgl. Lorenz ( 1990, S.182f)<br />
11<br />
So wird in Frankreich auch von 'rationaler' Mechanik gesprochen, womit die Übereinstimmung der Gesetze der klassischen<br />
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