Selbstorganisation M11b.pdf
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überschritten wird 290 .<br />
Das soziale Netzwerk entspricht der Struktur des sozialen Systems. Sie bestimmt den<br />
Grad des Ausgesetzt-Seins und der Schwellenwert bestimmt den Zeitpunkt der Adoption<br />
291 .<br />
Abgesehen von den interpersonellen Einflüssen gibt es auch auf der Makroebene einen<br />
rückkoppelnden Einfluss: die kritische Masse. Sie wird über den Anteil von Anwendern zu<br />
Nichtanwendern im gesamten betrachteten System bestimmt (gibt also das gewichtete<br />
Durchschnittsverhältnis aller individuellen Systeme an). Allgemein ist die kritische Masse<br />
die Minimalanzahl von Teilnehmern, die benötigt wird, um eine kollektive Aktivität aufrechtzuerhalten<br />
292 . In Diffusionsmodellen wird sie oft (z.B. von Valente) an dem Punkt als erreicht<br />
angesehen, an dem die Anzahl der neuen Anwender maximal ist (die erste Ableitung<br />
der Diffusionsfunktion hat dort ein Maximum) 293 .<br />
Im engsten Sinne muss die kritische Masse mit den ersten Anwendern erreicht, der Anfangswert<br />
also größer oder gleich der kritischen Masse sein 294 . Somit jeden Anfangswert<br />
eines erfolgreichen Diffusionsprozesses als kritische Masse zu definieren, würde aber<br />
wohl kein Erkenntnisfortschritt sein. Vielmehr muss der kritischen Masse eine eigenständige<br />
Bedeutung zugemessen werden, welche sie klar von der des Anfangswertes trennt.<br />
Dies ist unter der Annahme von einer während des Diffusionsprozesses invarianten (sich<br />
nicht ändernden) Schwellenwertverteilung, welche die Adoptionsraten über die dynamische<br />
Veränderung der Ausgesetzt-Sein-Levels beschreibt, aber nicht möglich.<br />
290<br />
"To be sure> individuals with low thresholds are still early adopters, however, individuals with high exposure are more likely to meet their<br />
threshold. Thus, high exposure is associated with early adoption, but is contingent on a low threshold"; Valente (1991 , S.41)<br />
291<br />
Vgl. Valente (1991.S.41)<br />
292<br />
Teilnehmer können Menschen, Organisationen, Nationen oder andere Einheiten sein. Bei der Aktivität kann es sich um Innovationsdiffusion,<br />
aber auch um andere kollektive Handlungen wie Marktanteile, öffentliche Meinung, oder auch der Stadion-, Theater- oder Zoobesuch<br />
bzw. eine Pokerpartie sein. Vgl. Valente (1991, S.45f) Bei der Betrachtung der Diffusion von ökonomischen Innovationen, d.h. Innovationen,<br />
die den Produzenten auch Geld einbringen sollen und die oftmals Systemcharakter haben, "critical mass can be defined at least in<br />
terms of its economics" (D.Allen,1988, S.258) . Das heißt die kritische Masse kann im Fall von steigenden Skalenerträgen auf Anbieter-<br />
(sinkende Stückkosten) und Abnehmerseite (Netzwerkexternalitäten) zumindest als der Punkt bezeichnet werden, ab dem der Produzent<br />
kostendeckend produzieren kann bzw. Profit macht.<br />
293<br />
Die Anzahl der neuen Anwender steigt, bis die kritische Masse erreicht ist, und nimmt dann ab. Bei einem logistischen Diffusionsprozess<br />
befindet sie sich im Allgemeinen genau auf halbem Wege. Das Sinken der absoluten Anzahl der neuen Anwender nach Erreichen der kritischen<br />
Masse wird auch hier zum Teil durch die immer mehr sinkende Anzahl von Noch-Nicht-Anwendern erklärt; Vgl. Valente (1991,<br />
S.46). Unglücklicherweise impliziert die Definition aber auch, dass auch nicht erfolgreiche Innovationen 'ihre' kritische Masse erreicht<br />
haben. Dem kann man aber aus dem Wege gehen, indem man unter Diffusionsprozessen keine Misserfolgsentwicklungen subsumiert, da<br />
es bei ihnen gar nicht zu einer Diffusion kommt.<br />
294 /<br />
Dies lehnt sich an die physikalische Definition der kritischen Masse als "kleinste Masse an Spaltstoff in der eine Kettenreaktion von Kernspaltungen<br />
ohne äußeren Einflüsse aufrechterhalten bleibt" [Dtv ( Bd. 10, S.163)] an. Wenn man sich weniger mit der Fragestellung beschäftigt,<br />
wie die Dynamik eines Diffusionsprozesses allgemein zu beschreiben ist und wann, wie und mit welcher Wahrscheinlichkeit in<br />
ihr eine kritische Masse überschritten wird, sondern sich eher auf die praktische Untersuchung empirisch beobachteter Diffusionsprozesse<br />
beschränkt, ist eine solche Definition jedoch recht brauchbar. Dann interessiert vor allem die Unterscheidung zwischen einem Anfangszustand,<br />
in dem direkt eine größere Gruppe von Adoptern an den Markt treten muß und dem Endzustand der 100%tigen Adoption,<br />
die, wenn ersterer eine kritische Masse' überschritten hat, dann durch allmähliche Eintritte von Noch-Nicht-Anwendern in den Markt erreicht<br />
wird. Der Anfangszustand kann dann Objekt einer strategischen Beurteilung werden, anhand von ihm kann untersucht werden,<br />
"what distinguishes the successful ..(innovations ).from those that sputter and fail to become realized"; D. Allen (1988, S.257). So beschäftigte<br />
sich z.B. D. Allen (1988) mit der Installierung von neuen interaktiven Netzwerken, deren Erfolg (Minitel) bzw. Misserfolg (Btx)<br />
er an ihren jeweiligen spezifischen Anfangszuständen festmachte. Demgemäß schrieb er: "Much of our recent understanding about the<br />
demand for networks has been based on experience with relatively mature tele-communications Systems. However, a start-up network<br />
faces a special circumstance that differs in one key respect from the mature network. Since the fundamental raison d'etre of a network is<br />
to connect people, a new network by its very nature requires a group o subscribers if it is to start-up. This need for the critical mass group<br />
surely distinguishes the startup from the mature System. A mature system has necessarily moved beyond that point in its development<br />
where a critical mass has initial assembled"; Ebenda (S.257).<br />
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