Selbstorganisation M11b.pdf
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Dies wirft die Frage auf, inwiefern die kritische Masse die Schwellenwerte beeinflusst bzw.<br />
inwiefern sich die Schwellenwertverteilung überhaupt ändert:<br />
Vor dem kritischen Punkt ist eine Adoption riskant und nur Individuen, bei denen hohe<br />
Ausgesetztseinsgrade auf niedrige Schwellenwerte stoßen werden wahrscheinlich adoptieren.<br />
Jenseits der kritischen Masse wird sie nicht mehr als riskant angenommen und die<br />
Schwellenwerte sinken. Größeres Risiko lässt die Schwellen anwachsen, niedrigeres Risiko<br />
lässt sie sinken.<br />
Hiermit wird ein Mikro-Makro-Link etabliert. Ausgesetzt-Sein-Levels und Schwellenwerte<br />
sind Konstrukte auf der Mikroebene, welche die individuelle Informationsumwelt charakterisieren.<br />
Die kritische Masse ist ein Konstrukt auf der Makroebene, welches das Diffusionsmuster<br />
eines sozialen Systems charakterisiert. Der Systemparameter Kritische-Masse<br />
bestimmt die soziale Effizienz einer Innovation und entscheidet so über Erfolg oder Misserfolg<br />
derselben. Er wird aber auf der Mikroebene durch die Wechselwirkungen von<br />
Schwellenwert- und Ausgesetztseinsverteilung erzeugt 295 . Ein Schwellenwert-Kritische-<br />
Massen-Modell muss versuchen, beiden Einflüssen Rechnung zu tragen 296 .<br />
Obwohl diese Betrachtungsweise der Diffusion von Innovationen als selbstorganisierender<br />
Prozess, der aus der wechselseitigen Beeinflussung verschiedener Aggregationsebenen<br />
entsteht, einleuchtend ist, erweist sich die Modellierung angesichts der Komplexität<br />
des Netzwerk von sozialen Systemen als äußerst schwierig. Auf jeden Fall muss zwischen<br />
externer (Individuum System) und interner Beeinflussung (Individuum persönliches<br />
Netzwerk) unterschieden werden.<br />
Externe Beeinflussungsmodelle beschreiben Diffusionsprozesse, die durch eine externe<br />
Kraft wie Massenmedien, strukturellen Wandel, und ähnliches angetrieben werden. Da<br />
interne gegenseitige Beeinflussungen durch interpersonale Kommunikation, die zusätzliche<br />
selbstverstärkende Prozesse erzeugen können, nicht berücksichtigt werden, ist bei<br />
ihnen der Anfangswert (seed-value) oftmals mit dem der kritischen Masse gleichzusetzen.<br />
Gemischte Beeinflussungsmodelle, die von extern angestoßener und unterstützter Diffusion<br />
sowie internen, innerhalb der persönlichen Netzwerke in Gang gesetzten, Diffusionen<br />
ausgehen, sind wahrscheinlich in den meisten Fällen realistischer.<br />
Letztere jedoch stellen den Modellbauer vor ein Modellierungsproblem. Da jedes Individuum<br />
gleichzeitig Mitglied in verschiedenen sozialen Systemen ist, und die persönlichen<br />
Netzwerke verschiedener Individuen so gut wie nie völlig deckungsgleich sein werden,<br />
können auch keine geschlossenen und in sich homogenen Subgruppen gebildet werden.<br />
295 “There is a dynamic interaction between the individual-level threshold and the system-level critical mass point, and between the critical<br />
mass and thresholds. Micro-level processes occur at the individual level of analysis. Personal efficacy, attitudes, and behaviour are examples<br />
of variables involved in micro-level processes. Macro-level processes occur at a System level of analysis. Societal efficacy, attitudes<br />
and behaviour are examples of variables involved in macro-level processes"; Valente (1991, S.51).<br />
296 Das Ausgesetztsein bestimmt, wann eine kritische Masse erreicht wird, indem es den Informationsfluss über eine Innovation strukturiert.<br />
Wenn Individuen mit niedrigen Schwellen auf hohe Ausgesetztseinsgrade treffen, dann beschleunigt sich die Rate der Diffusion und eine<br />
kritische Masse wird erreicht. Wenn diese kritische Masse erreicht wird, senken sich (im Durchschnitt) die Schwellen, und niedrigere<br />
Grade des Ausgesetztseins reichen aus, um sie zur Adoption zu bewegen: Es gibt also eine dynamische Interaktion zwischen Mikro- und<br />
Makroebene. Somit ist der Begriff der <strong>Selbstorganisation</strong> auch in diesem Erklärungsansatz gerechtfertigt.<br />
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