Selbstorganisation M11b.pdf
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da die menschliche Aufnahmefähigkeit gegenüber dem Ausmaß der riesigen Informationsmenge<br />
beschränkt ist 329 . Vielmehr läuft die Aussage vollständiger Information darauf<br />
hinaus, dass an keiner Stelle des sozioökonomischen Systems mehr eine Information eine<br />
Verhaltensänderung auslöst 330 . In den Märkten ist dann alle Information im Preis enthalten<br />
und auch Kirzners findiger Unternehmer - der Arbitrageur- findet kein Betätigungsfeld<br />
mehr bzw. sichert bei Abweichungen eine Rückkehr auf die Gleichgewichtspfade (negative<br />
Rückkopplung) 331 .<br />
Aus der selbstorganisatorischen Sicht organisiert sich das sozioökonomische System<br />
über eine endliche Anzahl von möglichen Handlungszuständen selbst, wobei mehr oder<br />
weniger stochastische Informationsflüsse, die durch das soziale Netzwerk strukturiert<br />
werden, mit positiven und negativen Rückkopplungen interagieren, und so der Systemverlauf<br />
einen spezifischen Entwicklungspfad beschreibt: Aus der Vielfalt der möglichen Entwicklungspfade<br />
wählt das System über Fluktuationen seine spezifische Geschichte. Allmählich<br />
stabilisiert sich die entstehende selbstorganisierende sozioökonomische Struktur,<br />
wodurch sich mehr und mehr die Umwelt der jeweiligen Subsysteme (Randbedingungen)<br />
stabilisiert. Die Ordner verfestigen sich, Institutionen, Moral, Tabus, Städtestrukturen, Einkommensverteilungsstrukturen<br />
usw. entstehen. Unter den nun mehr und mehr gegebenen<br />
Handlungsrestriktionen und Handlungsmöglichkeiten trifft das Individuum auf den Märkten<br />
unter vollständiger Marktinformation nun seine Wahl, wobei der Preis seiner Koordinationsaufgabe<br />
als einfacher reagierender Ordner gerecht wird und Gleichgewichte auf allen<br />
Märkten schafft: Da die einzelwirtschaftlichen Pläne nun miteinander kompatibel sind, gibt<br />
es keine Enttäuschungen, und da es vollständige Information bezüglich der nicht genutzten<br />
Gelegenheiten gibt, gibt es kein Bedauern. Was man unter den sozialen und den ökonomischen<br />
Zwängen für möglich und optimal bzw. zufrieden stellend hält, erweist sich als möglich<br />
und optimal bzw. zufrieden stellend: Das Individuum passt sich den durch das sozioökonomische<br />
Beeinflussungsfeld erzeugten Zwängen an. Diese können mehr und mehr<br />
internalisiert werden, was einer Transformation von äußeren Zwängen in innere Zwänge<br />
entspricht; das, was für den Einzelnen möglich ist, entspricht dann dem, was er sich<br />
wünscht. Wenn dies für alle Individuen gilt, kann man von einem totalen Gleichgewicht im<br />
engeren Sinne sprechen. Einem solchem würden hochgradig stabile individuelle Verhaltensmuster<br />
entsprechen 332 .<br />
Ein wie gerade beschriebener Anpassungs- und Entwicklungsprozess ist im Prinzip über<br />
selbstorganisatorische Modelle beschreibbar. Unter einer objektiv gegebenen (möglicherweise<br />
im Verlauf des Prozesses zum Teil erst später subjektiv von den Individuen wahrgenommenen)<br />
Anzahl von Handlungsmöglichkeiten 'evolviert' ein sozioökonomisches<br />
329 Zu den Beschränkungen in Informationsaufnahme und -Verarbeitung siehe Witt (1987, S.127ff)<br />
330<br />
Wie Witt (1987, S.150) es ausdrückte: "Dabei ist klar: Jede Anpassung durch Lernen (Wissen) und Gewöhnung (Präferenzen) müsste<br />
irgendwann enden, wenn nicht immer wieder neue Anstöße erzeugt würden und sich ausbreiteten."<br />
331<br />
Zu Kirzners Theorie des Arbitrageprozesses siehe Witt (1987, S.71ff)<br />
332<br />
"Origins of ...behavioural regularities can be, on the one hand, preferences, the internal behavioural constraints, or, on the other forces<br />
brought about through man's network of interdependence. These forces are a result of the active Cooperation of man and at the same time<br />
provide for the regularity of this Cooperation. A portion of these forces-in total equilibrium all of them- express themselves as internal<br />
behavioural constraints within the individuals and stabilize the external forces:'Conscience is social angst"',Brandes,1990, S.175<br />
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