Selbstorganisation M11b.pdf
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Somit steht der potentielle Nutzer sowohl einem netzwerkspezifischen Informationsproblem<br />
als auch einem produktspezifischen Informationsproblem gegenüber; er muss also praktisch<br />
immer unter Unsicherheit entscheiden, bzw. seine Entscheidung immer mit Blick auf jene der<br />
anderen treffen 240 . Bei nicht zu geringer Komplexität des Gutes ist die Diffusion von Innovationen<br />
also immer, im Falle von Netzwerkexternalitäten aber ganz besonders, auch ein sozialer<br />
Prozess.<br />
Ein Paradebeispiel ist der Kampf zwischen den Videosystemen VHS und Betamax, bei dem<br />
eine leichte Führung des einen Systems zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition und<br />
damit zu einem weiteren Steigen des Marktanteils führte. Aus synergetischer Sicht führte eine<br />
kleine Fluktuation bei anfangs prinzipiell gleichen Marktanteilen dazu, dass ein System, nämlich<br />
VHS (obwohl graduell qualitativ schlechter als Betamax) aufgrund ausreichend starker<br />
Rückkoppelungen schließlich annähernd 100% Marktanteil hatte, während das andere völlig<br />
vom Markt verschwand 241 . Dieser typische Fall weist wie alle Diffusionsprozesse konkurrierender<br />
Innovationen, bei denen überproportional wachsende Konformitätskräfte entstehen<br />
und so die eine oder andere Innovation letztendlich den gesamten entstehenden Markt für<br />
sich beansprucht, vier Eigenschaften auf 242 :<br />
MULTIPLE GLEICHGEWICHTE- mindestens zwei letztendlich erreichte Marktanteils-<br />
Lösungen sind möglich. Das Ergebnis ist weder eindeutig noch vorhersehbar.<br />
MÖGLICHE INEFFIZIENZ- obwohl die eine Innovation der konkurrierenden technisch (<br />
bezogen auf das Preis-Qualitätsverhältnis und/oder auf die Weiterentwicklung) überlegen<br />
ist, kann sie, wenn sie im Anfangsstadium des Diffusionsprozesses Pech oder einen<br />
schlechten Marketing-Chef hat, ins Hintertreffen geraten; die sich durchsetzende Innovation<br />
ist nicht wohlfahrtsmaximal 243 .<br />
LOCK-IN- wenn erst einmal eine stabile Lösung, z.B. in Form einer eindeutigen Beherrschung<br />
des Marktes durch VHS, erreicht worden ist, ist es für den Verlierer schwer, die<br />
vom dominanten System gewonnenen Vorteile auszugleichen, und wieder in den Markt<br />
zurückzukehren 244 .<br />
240<br />
Abstrakt ausgedrückt gesellen sich zu den horizontalen Informationsdefiziten bezüglich dem gegenwärtigem Stand der Dinge auch noch vertikale<br />
Informationsdefizite bezüglich dem zukünftigem Stand der Dinge.<br />
241<br />
Vgl. Arthur (1988a, S.10); dieses Beispiel wurde auch von Katz (1986, S.823ff) aufgegriffen.<br />
242<br />
Schon hier wird die Art der Analogiefindung zu synergetischen Prozessen deutlich. Bei einer anfänglich symmetrischen Anfangsverteilung<br />
werden durch Fluktuationen sich selbstverstärkende Prozesse in Gang gesetzt und die Symmetrie wird gebrochen , eine 'Ordnung durch Fluktuation'<br />
entsteht. Oftmals sind die positiven Rückkoppelungen so stark, dass der (die) Konkurrenten) mit der Zeit völlig aus dem Markt gedrängt<br />
werden und die, mehr und mehr 'selektive Vorteile' gewinnende Technologie schließlich die gesamte entstehende Nische' (sprich: den<br />
gesamten Markt) allein besetzt. In Anknüpfung an obige Betrachtung der Diffusion von Innovationen als sozialen Prozess heißt das, dass die<br />
Konformitätskraft immer weiter steigt, während Antikonformitätskräfte aufgrund ökonomischer und sozialer Zwänge völlig verschwinden: Ein<br />
oder mehrere Randgleichgewichte bilden dann den Attraktor, auf den die Entwicklung konvergiert.<br />
243<br />
So soll der 'Verlierer' im Kampf der Videosysteme, Betamax, dem 'Gewinner' ,VHS .technisch überlegen sein. Gleiches gilt für den 'Verlierer' im<br />
Kampf der Nuklearreaktorentechnologien, nämlich den gasgekühlten Reaktor. Obwohl eigentlich technologisch unterlegen, haben sich mit<br />
leichtem Wasser gekühlte Reaktoren durchgesetzt. Dies lag in diesem speziellen Fall daran, dass die Entwicklung letzterer anfangs in den 50er<br />
Jahren, da ihre Konstruktion kompakter war und sie so in atomgetriebene U-Boote 'passten', von der US-Navy gefördert wurde. Die so entstandenen<br />
Lerneffekt und Konstruktionserfahrungen führten dazu, dass sie einen uneinholbaren Vorsprung am Markt gewannen, der dazu führte,<br />
dass heutzutage praktisch 100% aller US-Atomkraftwerke mit leichtem Wasser gekühlt werden; Vgl. Arthur (1989, S.126).<br />
244<br />
Das solche Lock-In's nicht nur durch die, durch das dominante System gewonnenen, ökonomischen Vorteile verursacht sind, sondern oftmals<br />
auch ihre Entsprechung im mentalen Bereich haben, darauf weist ein Lock-In hin, der sich auf ein Gut bezieht, das nun nicht gerade Systemcharakter<br />
hat, nämlich Cola. Obwohl Pepsi, wenigstens beim privaten Einkauf, räumlich und zeitlich genauso verfügbar ist wie Coca-Cola,<br />
außerdem billiger ist und eine von vielen als ansprechender empfundene Werbung macht, gelingt es ihr seit Jahren nicht, einen entscheidenden<br />
Schritt aus ihrem Nischendasein zu tun. Ein anderes Beispiel ist das Tastaturschema 'QWERTY . Interessanterweise stellte die Durchsetzung<br />
desselben in der Vergangenheit einen von mehreren möglichen relativ effizienten Lock-In's dar, da durch seine Anordnung die Gefahr einer<br />
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