28.10.2013 Aufrufe

Selbstorganisation M11b.pdf

Selbstorganisation M11b.pdf

Selbstorganisation M11b.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

So wird es angebracht sein, die Subgruppen über eine spezifische Wirkungsbeziehung zu<br />

definieren, z.B. gemäß struktureller Äquivalenz. Solche Subgruppen können unterschiedliche<br />

Kritische-Massen-Punkte haben, d.h. die kritische Masse kann für eine Subgruppe<br />

schon erreicht sein bevor andere Subgruppen bzw. das ganze System seine kritische<br />

Masse erreicht 297 . Die so als Mitglied einer bestimmten Subgruppe aufgrund von Ansteckungseffekten<br />

(chain-reactions, die durch einen gegenüber dem Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung<br />

erhöhtem Aussetzungsgrad verursacht sind) und/oder dem Erreichen<br />

einer gruppenspezifischen kritischen Masse (die zu einer Senkung der Schwellenwerte<br />

innerhalb der Subgruppen-mitglieder führt) zur Adoption gezwungenen Individuen werden<br />

dann als Mitglied anderer Subgruppen dort den Ausgesetztheitsgrad der Mitglieder erhöhen<br />

und u.U. dadurch auch dort zu einem Erreichen einer für diese Gruppe spezifischen<br />

Kritischen-Masse führen, usw. 298 .<br />

Dieser unendlich verschachtelte Prozess, der ausgehend von heterogen verteilten<br />

Schwellenwerten und Ausgesetztheitsgraden zu einer asymmetrischen Entwicklung selbiger<br />

in der Zeit führt, kann in einem Überwinden der globalen kritischen Masse enden: Die<br />

Innovation erhält globale soziale Akzeptanz und geht von einer novelty in eine necessarity<br />

über 299 , wodurch kollektiv die Schwellenwerte gesenkt werden 300 . Hierdurch wird der Diffusionsprozess<br />

oftmals bis zur Sättigung getrieben (annähernd 100% Adopter).<br />

Eine Implikation dieser dynamischen Mikro-Makro-Hypothese ist, dass die Sättigung vor<br />

Erreichen der globalen kritischen Masse vermieden werden kann, während sie nach Erreichen<br />

der kritischen Masse fast nicht mehr zu verhindern ist 301 -aber damit gilt auch umgekehrt,<br />

dass durch Anfangswerte unterhalb der kritischen Masse Prozesse in Gang gesetzt<br />

werden können, die zu einem Erreichen derselben führen. Somit kann zwischen<br />

seed-value und kritischer Masse unterschieden werden.<br />

In einem Modell kann die ganze Komplexität der ablaufenden Prozesse nicht antizipiert<br />

297 So demonstrierte D. Allen (1988, S.262f), dass die kritische Masse für bestimmte Videotextservice von Minitel schon erreicht wurde, bevor<br />

dies auch bei anderen bzw. dem ganzen System der Fall war.<br />

298 Diese wechselseitige Beeinflussung, die dem Individuum die für selbstorganisatorische Prozesse typische Doppelrolle als 'Reizaddressat<br />

und 'Öffentlichkeit' zuweist wurde von D. Allen (1988, S.260) bezogen auf die Verbreitung von Minitel folgendermaßen beschrieben: "It<br />

seems likely that individuals base their choice on what they expect the others to decide. Thus, the individual's effort to decide hinges upon<br />

'watching the group'- the other members in the Community of actual/potential subscribers- to discern what the group choice may be. ..The<br />

outcome for the group then turns literally upon everybody, watching while being watched."<br />

299 D. Allen (1988), der sich mit der Verbreitung der Innovation 'Videotext', bzw. Minitel beschäftigte schreibt hierzu: "The new network<br />

begins as an innovation and a curiosity, but if in time it does succeed, it is transformed and becomes a necessity, entrenched in the habits<br />

of the subscribing group, The incremental steps (*der Diffusion und damit der Erwartungen bezüglich des Erfolges der Innovation (Anmerkung<br />

des Autors)) can lead, in other words, to a larger shift in outlook that considers as necessary what was earlier viewed as novelty.<br />

Thus what begins as an attempt at a new network (such as videotext) may become a new orthodoxy in Communications... .The shift from<br />

novelty to necessity- the larger-scale discontinuity in expectations- creates, in other words, a sense of new value"; Ebenda (S.262)<br />

300 Anknüpfend an obiges Beispiel von an der Ampel stehenden Menschen, kann der Effekt des Überwindens einer 'regionalen' kritischen<br />

Masse und der so implizierten Übergang einer Handlungsweise von einer novelty zu einer necessarity zwar nicht sehr präzise, dafür aber<br />

sehr plastisch deutlich gemacht werden. Wenn zwei Omis, fünf Kegelbrüder, sowie 10 weitere voneinander unabhängige Personen in<br />

Freiburg vor einer roten Ampel stehen, so werden die Kegelbrüder ihr Verhalten voneinander abhängig machen und wenn drei von ihnen<br />

gehen, wird der 'Ausgesetztsseinsgrad' für die zwei Verbleibenden wahrscheinlich so hoch, dass sie auch gehen. Die 10 Anderen werden,<br />

wenn über die weak-ties, die sie untereinander und mit den fünf Gehenden verbinden, ausreichend starke Impulse auf sie auswirken, unter<br />

Umständen in einer Kettenreaktion auch zum Gehen 'gezwungen' werden. Die Omis aber werden auf kernen Fall gehen, da ihre Schwellenwerte<br />

viel zu hoch sind: Die 'regionale' kritische Masse ist in Freiburg noch nicht überwunden. In Hamburg hingegen hat der Übergang<br />

des Bei-Rot-über-die-Ampel-Gehens' von einer novelty zu einer necessarity schon längst stattgefunden, und nach eigener Beobachtung<br />

ist es selbst für ältere Damen der Normalfall, unabhängig von dem, was die anderen machen, die Straße bei Rot zu überqueren<br />

301 Vgl. Valente(1991, S.59)<br />

Seite 76

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!