Teil 2
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288 W.I. Lenin<br />
Unter diesen Voraussetzungen war es natürlich gleichgültig, welche Formen<br />
der russische Separatfriede annahm, welche Verstümmelungen und Lasten er dem<br />
russischen Volke auferlegte, welche Auslegung der Selbstbestimmung der Völker<br />
er brachte. Dann war es auch gleichgültig, ob Rußland wehrfähig war oder nicht.<br />
Die europäische Revolution bildete nach dieser Auffassung die beste Wehr der<br />
russischen Revolution, sie mußte allen Völkern auf bisher russischem Gebiet volle<br />
und wahre Selbstbestimmung bringen.<br />
Eine Revolution in Europa, die dort den Sozialismus brachte und befestigte,<br />
mußte aber auch das Mittel werden, die Hindernisse zu beseitigen, die in Rußland<br />
der Durchführung sozialistischer Produktion durch die ökonomische Rückständigkeit<br />
des Landes bereitet wurden.<br />
Das war alles sehr logisch gedacht-und wohl begründet, sobald man die Vor-:<br />
aussetzung zugab: daß die russische Revolution unfehlbar die europäische entfesseln<br />
müsse. Was aber dann, wenn es nicht dazu kam?<br />
Die Voraussetzung ist bisher nicht eingetroffen. Und nun werden die Proletarier<br />
Europas angeklagt, daß sie die russische Revolution im Stiche gelassen<br />
und verraten hätten. Es ist eine Anklage gegen Unbekannte, denn wen will<br />
man verantwortlich machen für die Haltung des europäischen Proletariats?"<br />
(S..28.)<br />
Und Kautsky setzt dann des langen und breiten auseinander, daß sich<br />
Marx, Engels und Bebel mehr als einmal in bezug auf den Ausbruch der<br />
von ihnen erwarteten Revolution geirrt hätten, sie hätten aber niemals<br />
ihre Taktik auf die Erwartung der Revolution „für einen bestimmten<br />
Termin" (S. 29) aufgebaut, während die Bolschewiki „alles auf die eine<br />
Karte der allgemeinen europäischen Revolution gesetzt" hätten.<br />
Wir haben absichtlich dieses so lange Zitat angeführt, um dem Leser<br />
anschaulich zu zeigen, wie „geschickt" Kautsky den Marxismus fälscht<br />
und ihn durch einen banalen und reaktionären Spießerstandpunkt ersetzt.<br />
Erstens ist es die Methode nicht gerade kluger Leute, dem Gegner eine<br />
offensichtliche Dummheit zu unterstellen und sie dann zu widerlegen.<br />
Hätten die Bolschewiki ihre Taktik auf der Erwartung aufgebaut, daß<br />
die Revolution in anderen Ländern zu einem bestimmten Termin ausbrechen<br />
würde, so wäre das unbestreitbar eine Dummheit gewesen. Die<br />
bolschewistische Partei hat aber diese Dummheit nicht begangen: In meinem<br />
Brief an die amerikanischen Arbeiter (20. VIII. 1918) grenze ich<br />
mich von dieser Dummheit ausdrücklich ab und erkläre, daß wir zwar<br />
auf die amerikanische Revolution redinen,' aber nicht zu einem bestimm-