Teil 2
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Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky 295<br />
von unserem Theoretiker wieder aufgewärmt worden. Man wird auf diese<br />
Frage eingehen müssen, so langweilig sie auch für die russischen Marxisten<br />
sein mag.<br />
Die russische Revolution ist eine bürgerliche Revolution, sagten alle<br />
Marxisten in Rußland vor 1905. Die Menschewiki, die den Marxismus<br />
durch Liberalismus ersetzten, folgerten daraus: Also darf das Proletariat<br />
nicht über das hinausgehen, was für die Bourgeoisie annehmbar ist, es<br />
muß eine Politik der Verständigung mit der Bourgeoisie treiben. Die Bolschewiki<br />
erklärten, daß das eine bürgerlich-liberale Theorie ist. Die Bourgeoisie<br />
ist bestrebt, die Umgestaltung des Staates auf bürgerliche Weise<br />
reformistisch und nicht revolutionär zu vollziehen und nach Möglichkeit<br />
sowohl die Monarchie als auch den gutsherrlichen Grundbesitz usw. aufrechtzuerhalten.<br />
Das Proletariat muß die bürgerlich-demokratische Revolution<br />
zu Ende führen und darf sich nicht durch den Reformismus der<br />
Bourgeoisie „binden" lassen. Das Kräfteverhältnis der Klassen in der<br />
bürgerlichen Revolution formulierten die Bolschewiki folgendermaßen:<br />
Das Proletariat zieht die Bauernschaft an sich heran, neutralisiert die<br />
liberale Bourgeoisie und zerstört vollständig die Monarchie, das Mittelalterliche,<br />
den gutsherrlichen Grundbesitz.<br />
Im Bündnis des Proletariats mit der Bauernschaft überhaupt tritt eben<br />
der bürgerliche Charakter der Revolution zutage, denn die Bauern überhaupt<br />
sind Kleinproduzenten, die auf dem Boden der Warenproduktion<br />
stehen. Weiterhin, fügten damals schon die Bolschewiki hinzu, zieht das<br />
Proletariat das gesamte Halbproletariat (alle Ausgebeuteten und Werktätigen)<br />
an sich heran, neutralisiert die mittlere Bauernschaft und stürzt<br />
die Bourgeoisie: Darin besteht die sozialistische Revolution zum Unterschied<br />
von der bürgerlich-demokratischen. (Siehe meine Broschüre aus<br />
dem Jahre 1905: „Zwei Taktiken", nachgedruckt in dem Sammelband<br />
„12 Jahre", Petersburg 1907.)<br />
Kautsky nahm 1905 an diesem Streit indirekt teil; auf eine Anfrage<br />
des damaligen Menschewiks Plechanow sprach er sich, dem Wesen der<br />
Sache nach, gegen Plechanow aus, was damals in der bolschewistischen<br />
Presse besonders bespöttelt wurde. Jetzt erwähnt Kautsky mit keinem<br />
Sterbenswörtchen die damaligen Diskussionen (er fürchtet, durch seine<br />
eigenen Äußerungen bloßgestellt zu werden!) und nimmt dadurch dem<br />
deutschen Leser jede Möglichkeit, das Wesen der Sache zu begreifen.<br />
20 Lenin. Werke. Bd. 28