Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
von ihnen im Augenblick keine so tiefgreifende Reinigung verlangt, wie von den<br />
Menschen der nachfolgenden Ordnung, so sind ihre Mängel bald verblaßt und ihre<br />
Fehler wie verwaschen.<br />
<strong>Die</strong>se Menschen erscheinen allen, <strong>die</strong> kein göttliches Unterscheidungsvermögen<br />
haben, wesentlich herrlicher und größer als <strong>die</strong> folgenden. Denn sie gelangen dem<br />
Äußeren nach zu einer leuchtenden Vollkommenheit, da <strong>Gott</strong> ihre natürliche<br />
Empfänglichkeit, ihr Fassungsvermögen, bis zu einem bewundernswürdigen Umfang<br />
erweitert. Sie haben erstaunliche Erfahrungen der Gegenwart <strong>Gott</strong>es: <strong>Gott</strong> kommt<br />
ihrem Fassungsvermögen entgegen und erhöht es. Dennoch verlieren <strong>die</strong>se Menschen<br />
sich selbst nie, und <strong>Gott</strong> zieht sie nicht (gegen ihren Willen) aus ihrem eigenen Sein<br />
heraus, um sie in sich selbst zu versenken.<br />
<strong>Die</strong>se Menschen sind <strong>die</strong> Bewunderung und das Erstaunen der Menschen. <strong>Gott</strong> gibt<br />
ihnen Gaben über Gaben, Gnaden über Gnaden, Licht über Licht, Gesichte,<br />
Offenbarungen, innere Worte. Sie werden verzückt, entrückt, dahingerissen. Es<br />
scheint, als ob <strong>Gott</strong> keine andere Sorge habe, als nur <strong>die</strong>se Menschen zu bereichern<br />
und zu verschönern, ihnen seine Geheimnisse mitzuteilen. Alle Süßigkeiten sind nur<br />
für sie.<br />
Das heißt nicht, als ob sie nicht schwere Kreuze zu tragen hätten und starke<br />
Versuchungen zu überwinden. Aber <strong>die</strong>se sind wie Schatten, <strong>die</strong> nur dazu <strong>die</strong>nen, den<br />
Glanz ihrer Tugenden zu erhöhen. <strong>Die</strong> Versuchungen werden mit Nachdruck<br />
abgeschlagen, ihre Kreuze tragen sie mit Kraft. Sie wünschten sogar davon noch mehr.<br />
Sie sind ganz Feuer und Flamme, ganz Sehnsucht, ganz <strong>Liebe</strong>. Sie haben einen<br />
Heldenmut, der bereit <strong>ist</strong>, das Allerschwerste auf sich zu nehmen.<br />
Sie sind für ihre Zeit ein Zeichen, für ihr Jahrhundert ein Wunder. Auch be<strong>die</strong>nt sich<br />
<strong>Gott</strong> ihrer, um wirkliche Wunder zu tun. Es scheint so, daß sie nur etwas zu erbitten<br />
brauchen, und es wird ihnen sofort gegeben. Es scheint so, als wenn <strong>Gott</strong> seine Lust<br />
daran hat, ihr Verlangen zu erfüllen und ihren Willen zu tun. Auch gehen sie weit in <strong>die</strong><br />
Mitkreuzigung ein. Ihr Ernst <strong>ist</strong> entschieden, ihre Strenge ehrfurchtserregend, bei den<br />
einen mehr, bei den andere weniger, denn es gibt in jedem Stande Stufen, und nicht<br />
alle, <strong>die</strong> in einem Stande stehen, gelangen zu dessen höchster Stufe.<br />
Der Seelsorger kann <strong>die</strong>se Menschen fördern oder ihnen sehr helfen. Wenn er aber<br />
ihren Weg nicht erkennt, wird er ihren Weg entweder bekämpfen und ihnen viel Not<br />
machen, wie es der heiligen Theresia geschah, oder, was weit schlimmer <strong>ist</strong>, er wird sie<br />
bewundern, und es sie merken lassen, wie sehr er sie bewundert. Dadurch nehmen sie<br />
um so mehr Schaden, denn dadurch kommt es, daβ sie sich zu sehr und zu lange mit<br />
sich selbst beschäftigen und bei den Gaben stehen bleiben, statt, daß <strong>die</strong>se ihnen nur<br />
<strong>die</strong>nen, zum Geber zu gelangen.<br />
<strong>Die</strong> Absicht <strong>Gott</strong>es, weshalb er ihnen seine Gnaden mit solcher Verschwendung<br />
zuteilt, <strong>ist</strong> <strong>die</strong>, daß sie umso leichter und schneller zu ihm geleitet werden möchten. Sie