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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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Hatte so ein Mensch sich gewöhnt, ein gleichmäßiges Leben zu führen, und nicht<br />

mehr zu tun in den Zeiten das Überflusses, als in denen der Dürre, so würde er allem<br />

genügen. So aber wird er dem Nächsten lästig, zu dessen Schwäche herabzulassen er<br />

sich nicht überwinden kann. Er schweigt, wo er reden sollte, und schwatzt, wo es<br />

besser wäre zu schweigen. Eine Frau zum Beispiel macht sich Bedenken daraus, ihrem<br />

Mann zu gefallen, ihn zu unterhalten, mit ihm spazierenzugehen und sich mit ihm zu<br />

ergötzen, während sie keinen Anstand nimmt, mit Leuten ihrer Stimmung und<br />

Sinnesart stundenlang zu plaudern.<br />

Man muß seine Pflichten erfüllen, von welcher Art sie auch seien, und wieviel es auch<br />

kostet, selbst dann, wenn es uns zweifelhaft erscheint, ob wir nicht etwa darin fehlen.<br />

<strong>Die</strong>se Art zu handeln wird uns unendlich fördern; freilich nicht in dem Sinn, worin wir<br />

es nehmen, doch insofern wir dadurch in Selbstverleugnung geübt werden. Unser Herr<br />

selbst gibt uns zu erkennen, wie mehr <strong>die</strong>se Art der Aufopferung ihm indem er uns<br />

mitten in <strong>die</strong>sem Alltagsleben besucht und mit seinen Gnaden überschüttet. Ich habe<br />

eine Frau gekannt, <strong>die</strong> aus Gefälligkeit ihrem Mann zuliebe mit ihm Karten spielte, und<br />

währenddessen so wichtige und innere Erfahrungen der Gegenwart <strong>Gott</strong>es machte,<br />

wie sie sie kaum jemals während des inbrünstigsten Gebetes erfahren hatte. Dasselbe<br />

erfuhr sie, so oft sie das tat, was ihr Mann von ihr haben wollte, gleichgültig welchen<br />

großen Widerwillen sie dagegen spürte. Entzog sie sich aber seinen Wünschen, um<br />

etwas zu tun, was ihrer Meinung nach besser war, so wurde sie augenblicklich gewahr,<br />

daß sie aus ihrem Stand und aus <strong>Gott</strong>es Ordnung heraustrat. Trotzdem <strong>ist</strong> sie oft<br />

wieder in denselben Fehler gefallen, als ihr Hang zur Einkehr und <strong>die</strong> Vortrefflichkeit<br />

das Gebetes (das freilich unter anderen Umständen jenem sogenannten Zeitvertreib<br />

unendlich vorzuziehen wäre) <strong>die</strong> Seele unmerklich fortzog und sie <strong>die</strong> Außenwelt über<br />

dem Inwendigen vergessen ließ. So etwas bestaunen dann <strong>die</strong> Leute als ein Merkmal<br />

besonderer Helligkeit, was eigentlich doch nur Tadel ver<strong>die</strong>nt.<br />

Werden <strong>die</strong> Menschen jedoch zum Stand des reinen Glaubens berufen, so stellen sich<br />

ähnliche Mißgriffe bei ihnen immer seltener und vorübergehender ein, indem <strong>Gott</strong>,<br />

der sie in seine Ordnung führen will, <strong>die</strong> Mangelhaftigkeit eines solchen Verhaltens<br />

ihnen zu erkennen gibt. Und das <strong>ist</strong> der Unterschied zwischen einem zum dunklen<br />

Glauben berufenen Menschen und einem anderen, daß der letztere ohne Mühe in<br />

seinen Andachten beharrt. Man würde ihm das Leben<br />

rauben, wenn man ihn herauszöge aus seiner ruhigen Freude über <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gott</strong>es.<br />

Der andersberufene Mensch dagegen findet keine Ruhe, er habe denn zuvor seine<br />

Pflichten erfüllt. Gibt er sich doch <strong>die</strong>ser Freude hin, gegen das innere Mahnen, das er<br />

fühlt, aus der Ruhe herauszutreten, so <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s eine Untreue, <strong>die</strong> ihn in Not bringt.<br />

Es geschieht auch, daß ein solcher Mensch durch <strong>die</strong>se Mitkreuzigung und <strong>die</strong>sen<br />

inneren Widerstreit sich nur noch stärker zu der inneren Ruhe hingezogen fühlt, denn

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