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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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eine Lampe, <strong>die</strong> kein Öl mehr hat, ganz nahe dem Erlöschen noch einmal oder<br />

zweimal aufflackert, dann aber um so schneller erlischt. So wirft auch der in den letzten<br />

Zügen liegende Mensch noch einige Strahlen, <strong>die</strong> aber nur Monate dauern. Es <strong>ist</strong><br />

umsonst, sich das Sterbens erwehren zu wollen, das lebensnotwendige Öl <strong>ist</strong> versiegt.<br />

<strong>Die</strong> Sonne der Gerechtigkeit hat das Mark des Seelischen dermaßen ausgedorrt, daß<br />

ihm nichts mehr übrig bleibt als zu sterben (Hebr. 4, 12).<br />

<strong>Die</strong>se liebenswürdige Sonne, was hat sie wohl zu tun, als mit der Strenge ihres Brandes<br />

<strong>die</strong>ses seelische Wesen ganz und gar aufzuzehren. Und doch meint der Mensch, lauter<br />

Eis zu sein. <strong>Gott</strong> macht, daß <strong>die</strong> Not, <strong>die</strong> er erduldet, ihn <strong>die</strong> Natur seiner Qualen nicht<br />

erkennen lässt. Solange <strong>die</strong> Sonne sich hinter Wolken verbarg und mit abgedämpftem<br />

Licht auf ihn einwirkte, empfand er deren Hitze und meinte zu brennen, wahrend er<br />

jedoch nur Bang von ihr erwärmt wurde. Nun aber, wo ihre Strahlen senkrecht auf ihn<br />

Niederschienen, fühlt sich der Mensch verdorrt und vertrocknet, ohne auch nur <strong>die</strong><br />

Wärme zu spüren.<br />

0 du erbarmende und doch grausame <strong>Liebe</strong>! Läßt du dich nur darum lieben, daß; du<br />

<strong>die</strong> <strong>Liebe</strong>nden so täuschen magst? Du verwundest, verbirgst dein Geschoß und<br />

zwingst <strong>die</strong> Verwundeten, dir zu folgen! Du ziehst sie dir nach und zeigst dich ihnen,<br />

und wenn sie meinen, dich in Besitz zu nehmen, b<strong>ist</strong> du wieder weg. Wenn das<br />

Seelische verschmachtet und in den letzten Zügen liegt, wenn es an dem Punkt<br />

angelangt <strong>ist</strong>, den Atem auszuhauchen, zeigst du dich einen Augenblick, damit das<br />

Leben wiederkehre, damit es sich wieder und wieder mit um so größerem Schmerz<br />

verlieren kann (Luk. 2, 35).<br />

Du b<strong>ist</strong> ein strenger <strong>Liebe</strong>nder! Warum ein so langsamer Tod? Warum Wein dem<br />

Herzen geben, das schon aufgehört hat zu schlagen? Warum das Leben wiedergeben,<br />

nur um es auf's neue zu nehmen? Das <strong>ist</strong> also das Spiel, das du mit denen spielst, <strong>die</strong><br />

dich <strong>Liebe</strong>n. Du verwundest bis in den Tod. Und wenn du den Kranken nahe am<br />

Verscheiden siehst, heilst du seine Wunden, um ihm aufs neue welche zu schlagen.<br />

Ach, andere sterben nur einmal. Jene Peiniger, von denen wir in der Geschichte der<br />

Chr<strong>ist</strong>enverfolgungen lesen, verlängerten wohl das Leben und mit ihm <strong>die</strong> Marter der<br />

Märtyrer.<br />

Aber sie ließen sich daran genügen, daß sie es am Ende doch nur einmal verloren. Du<br />

aber, unermüdlicher als jene, raubst es tausend- und tausendmal und gibst es ebenso<br />

oft zurück (1. Kor. 15, 31).<br />

0 Leben, das man nicht ohne so viele Tode gewinnen kann! 0 Tod, dessen man nicht<br />

habhaft werden kann ohne den Verlust so vieler Leben! Sicher wirst du am Ende der<br />

Me<strong>ist</strong>er des Lebens werden. Wird dann aber <strong>die</strong> Reinigung des Herzens vollendet<br />

sein? Wird der Mensch im Augenblick der Mitkreuzigung in den Stand der Ruhe und

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