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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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Böse, was er doch verabscheut, das Gute dagegen, das er in seinem Innersten wünscht,<br />

erregt ihm nur Widerwillen und Ekel.<br />

Schon glaubt <strong>die</strong>ser geängstigte Mensch, den göttlichen Geliebten für immer verloren<br />

zu haben, als er <strong>die</strong>sen plötzlich wieder in den Blick bekommt. Er <strong>ist</strong> höchst überrascht<br />

durch seine Erscheinung. Er traut seinen Augen kaum. Er fürchtet, das geliebte Bild<br />

wieder zerfließen zu sehen gleich einer täuschenden Traumgestalt. Doch nein: er <strong>ist</strong><br />

es! Er <strong>ist</strong> es wirklich. Wer beschreibt nun das Entzücken seines liebenden Herzens. Er<br />

fühlt sich umso glücklicher, als er bemerkt, daß der Herr ihm neue Güter mitgebracht<br />

hat: eine größere Reinheit, ein größeres Mißtrauen gegen sich selbst. Jetzt verlangt er<br />

nicht mehr stillzustehen, wie das erstemal. Er läuft unaufhaltsam, jedoch mit einem<br />

ruhigen gehaltenen Lauf, denn er fürchtet sich, von neuem seinen Frieden zu trüben.<br />

Er <strong>ist</strong> besorgt, aufs Neue den Schatz einzubüßen, der ihm so kostbar <strong>ist</strong>, und umso<br />

kostbarer, je Schmerzhafter sein Verlust gewesen <strong>ist</strong>. Er fürchtet, dem göttlichen<br />

Geliebten zu Mißfallen, und daß er noch einmal weggehen könnte. Er <strong>ist</strong> eifrig<br />

bemüht, <strong>die</strong>smal getreuer zu sein, und wacht über sich mit größter Aufmerksamkeit.<br />

Aber auch <strong>die</strong>se Ruhe wird mit der Zeit gefährlich. Der Mensch überläßt sich<br />

derselben nach und nach mit allzugroßer Sicherheit und wird täglich sorgloser und<br />

träger. Er schwelgt in ihrem Genuß und flieht <strong>die</strong> Gesellschaft und <strong>die</strong> täglichen<br />

Aufgaben, um ihm ohne Störungen nachhangen zu können. Jede Unterbrechung<br />

seiner Einsamkeit kommt ihm wie eine Beraubung vor, <strong>die</strong> man an seinem inneren<br />

Leben begeht. So <strong>ist</strong> er denn noch ebenso begehrlich und ebenso unersättlich, wie<br />

früher. Ja er <strong>ist</strong> umso eigensüchtiger, je zarter das <strong>ist</strong>, was er empfindet und je<br />

empfänglicher durch <strong>die</strong> erlittenen Martern sein inneres Vermögen geworden <strong>ist</strong>. Auf<br />

solche Weise läßt er sich einwiegen und kommt, ohne es zu merken, in einen neuen<br />

Stand der Ruhe.<br />

Es bedarf neuer Stürme, um ihn auch aus <strong>die</strong>sem zu reißen.<br />

Er geht leise und gelassen seines Weges, als plötzlich ein neuer Abhang sich ihm auftut,<br />

steiler und drohender als der vorige. Er erschrickt. Er tritt zurück. Umsonst: es gilt zu<br />

fallen! Und immer tiefer zu fallen! Von Fels zu Fels, von Schlund zu Abgrund! Mit<br />

Entsetzen wird der Mensch inne, daß er nicht nur den Geschmack an den mündlichen<br />

Gebeten, sondern auch am inneren Gebet verliert. Er muß sich <strong>die</strong> äußerste Gewalt<br />

antun, um darin auszuhalten. Auf jedem Schritt findet er nur das Kreuz. Was ihm<br />

vormals Leben brachte, das bringt ihm jetzt den Tod.<br />

Er spürt in seinem Inneren keinen Frieden mehr, sondern stattdessen ein Wogen und<br />

Strudeln, einerseits durch <strong>die</strong> Leidenschaften erregt, <strong>die</strong> umso heftiger auflodern, je<br />

gänzlicher sie erloschen schienen, andererseits durch <strong>die</strong> Kreuze in der Außenwelt, <strong>die</strong>

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