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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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Verderben gereicht. Dagegen bleiben <strong>die</strong> fliegenden Wasser frisch und gesund, und je<br />

schneller sie fortschießen, desto vollkommener bleiben sie erhalten.<br />

Wie schon gesagt, verleiht <strong>Gott</strong>, sobald er dem Menschen <strong>die</strong> Gabe des geschenkten<br />

Glaubens verliehen hat, zugleich einen Trieb, ihm als dem Zentrum des Lebens<br />

unablässig zuzustreben. Aber <strong>die</strong>ser untreue, obgleich sich für treu haltende Mensch,<br />

erstickt durch seine Ruhe den Drang zu laufen. Er würde überhaupt nicht vorwärts<br />

kommen, wenn nicht <strong>Gott</strong> den eingeschlafenen Trieb zu laufen wieder weckte, indem<br />

er den Menschen den Abhang das Berges finden läßt, von dem er nicht umhin kann,<br />

sich hinabzustürzen, er mag wollen oder nicht. Der erste Verlust <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Stille, <strong>die</strong> er<br />

doch für immer zu besitzen geglaubt hatte. Seine sonst so ruhigen Wasser fangen an zu<br />

rauschen. Bald bemächtigt sich seiner Wellen eine wirbelnde Bewegung. Sie wallen,<br />

rennen und stürzen.<br />

Wenn der Strom seinen Zustand erkennen würde und um das wüßte, was ihm<br />

bevorsteht, er würde versuchen, innezuhalten und zu seiner Ruhe zurückzukehren.<br />

Das <strong>ist</strong> jedoch unmöglich. Der Abhang <strong>ist</strong> nun einmal gefunden. Das Naturgesetz<br />

gebietet. Es gilt, sich in <strong>die</strong> Tiefe zu stürzen. Doch <strong>ist</strong> hier noch nicht von den<br />

Abgründen, von dem Verlorenwerden in den Finsternissen <strong>die</strong> Rede. Der Strom <strong>ist</strong><br />

fortwährend sichtbar. Wahrend der Dauer <strong>die</strong>ses Grades verliert er sich nicht. Er trübt<br />

sich, fällt und stürzt. Welle drängt auf Welle, und Strudel braust auf Strudel. Aber er<br />

geht nicht verloren.<br />

Während seines Falles trifft er hier und da auf ebenere Strecken, wo es ihm vergönnt<br />

<strong>ist</strong>, sich ein wenig zu erholen. Er gefällt sich in der Klarheit seiner Wasser. Er sieht, daß<br />

sein Fallen und Stürzen, daß das Brechen seiner Wogen am Felsen nur ge<strong>die</strong>nt hat, ihn<br />

zu reinigen und zu läutern. Er fühlt sich befreit von allen jenen Strudeln und Wirbeln<br />

und glaubt sogar, schon für immer <strong>die</strong> Ruhe gefunden zu haben. Er fühlt sich getröstet<br />

über <strong>die</strong> überstandenen Beschwerden, indem er einsieht, daß ohne <strong>die</strong>se heilsame<br />

Erschütterung seine stockigen Gewässer Gefahr gelaufen wären, ganz und gar zu<br />

verderben. Schon hat sich der üble Geruch verloren, der von ihnen ausgehaucht<br />

wurde, solange sie auf den Bergen standen. Das sie aufs Neue stichig werden könnten,<br />

fürchtet er nicht, denn er steht jetzt nicht still, sondern fährt fort, sanft auf dem<br />

silbernen Sande hinzurieseln, während <strong>die</strong> Blumen, <strong>die</strong> an seinen Ufern stehen, sich in<br />

den klaren Wellen widerspiegeln. So glaubt der allzu sichere Strom nun, von jetzt an<br />

geborgen zu sein und seinen Lauf in Frieden zu vollenden. Aber, o armer Strom, wie<br />

sehr betrügst du dich! Wie erschrickst du, wenn du wahrnimmst, daß deine Wellen<br />

wieder anfangen zu wirbeln und zu strudeln. Wie entsetzt du dich, wenn du an einem<br />

neuen Absturz ankommst, und zwar an einem viel schrofferen und gefährlicheren als

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